SXDL31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST

SXEU31 DWAV 280800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 28.10.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
NW bis Nz
In der Nacht zum und am Sonntagvormittag Sturmlage; an den Küsten und auf den
Bergen Böen Bft 11 bis 12, in Schauer- und Gewitternähe auch im Binnenland Nord-
und Ostdeutschlands orkanartige Böen oder Orkanböen möglich.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... befindet sich Deutschland zwischen einem Höhenrücken, der sich vom
Seegebiet westlich der Iberischen Halbinsel bis nach Südgrönland erstreckt, und
einem Langwellentrog über Nordeuropa, der sich weit nach Süden bis nach
Griechenland ausweitet, unterhalb einer langgezogenen und kräftigen
nordwestlichen Höhenströmung. Darin eingebettet verlagert sich ein markanter
kurzwelliger Randtrog vom Europäischen Nordmeer bis Sonntag, 00 UTC rasch nach
Südnorwegen. Auf dessen Vorderseite kommt es zu kräftiger WLA, die aktuell
bereits weit stromabwärts bis nach Mitteleuropa ausgreift und vor allem in der
kommenden Nacht im diffluent konturierten Höhenfeld unmittelbar trogvorderseitig
durch PVA unterstützt wird.
Im Bodenfeld führen die dadurch hervorgerufenen markanten Hebungsprozesse zu
einer kräftigen Zyklogenese über der nördlichen Ostsee, das dort entstehende
hochreichende Zentraltief verlagert sich unter weiterer Vertiefung bis Sonntag,
00 UTC zum Finnischen Meerbusen. Die Warmfront des Tiefs greift heute Nachmittag
auf den Norden Deutschlands über, bereits weit im Vorfeld gibt es aktuell
aufgrund der WLA bereits leichte Regenfälle im Norden und Osten, die sich
nachmittags von der Nordsee her verstärken. Die Mengen bis 20 UTC bleiben aber
noch unterhalb von 10 mm.
Die Kaltfront wird über der Nordsee mangels Schubkomponente noch zurückgehalten,
an ihr bildet sich eine frontale Welle, die, die Wetterentwicklung im
Vorhersagegebiet ab der kommenden Nacht betreffend, eine tragende Rolle spielt.
Abends erreicht die Welle nämlich Südnorwegen bzw. das Skagerrak, wo sie sich im
Lee des Norwegischen Küstengebirges und unmittelbar trogvorderseitig deutlich
verstärken kann und zieht bis 00 UTC nach Südschweden. An der Südwestflanke der
Welle kommt es zu einer markanten Gradientverschärfung, das zugehörige Sturmfeld
greift ab den Abendstunden von der Nordsee her auch auf Norddeutschland über.
Bereits heute Vormittag führt die beginnende Zyklogenese über der nördlichen
Ostsee zu einer Gradientverschärfung. Somit frischt der Wind in den kommenden
Stunden weiter auf und es gibt an den Küsten verbreitet stürmische Böen bzw.
Sturmböen aus West bis Nordwest, in den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge
und der Alpen ebenfalls, auf exponierten Gipfeln kann es vereinzelt auch schwere
Sturmböen geben. Im Binnenland vor allem der Osthälfte bis in die mittleren
Landesteile reichend kann es stürmische Böen geben, ansonsten reicht es meist
nur für steife Böen, im Südwesten dürfte der Wind in den Niederungen nicht
warnrelevant sein. Nachmittags und abends fächert der Gradient kurzzeitig etwas
auf und der Wind nimmt vorübergehend ab.
Weitere Warnparameter stehen heute zunächst nicht auf der Agenda. Dazu bleibt es
im Norden und Osten meist stark bewölkt bis bedeckt (lediglich an der Ostsee
kann sich vielleicht mal kurz die Sonne zeigen), im Südwesten und an den Alpen
scheint dagegen zumindest ab und zu die Sonne. Im Bereich der herangeführten
subpolaren Meeresluft bleibt es mit Höchstwerten zwischen 9 und 14 Grad, mit
Sonne im Südwesten bis 16 Grad recht mild.

In der Nacht zum Sonntag verschärft sich die Windsituation bereits vor
Mitternacht deutlich. Bis 06 UTC verlagert sich das Wellentief unter weiterer
Vertiefung unter 975 hPa nach Nordostpolen, die Kaltfront greift im Laufe der
zweiten Nachthälfte auf Norddeutschland über. Bereits im Warmsektor nimmt der
Wind deutlich zu und es gibt zunächst an der Nordsee erste orkanartige Böen,
exponiert auch Orkanböen, in der zweiten Nachthälfte auch an der Ostsee
verbreitet schwere Sturmböen, vereinzelt auch orkanartige Böen aus West bis
Nordwest. Auch in den Kamm- und Gipfellagen der meisten Mittelgebirge und der
Alpen muss mit Böen Bft 10 bis 12 gerechnet werden. Im Binnenland reicht es im
Vorfeld der Kaltfront zunächst wohl nur für stürmische Böen oder Sturmböen, im
Norden und Osten aber auch zunehmend für schwere Sturmböen.
Der Höhepunkt der Sturmentwicklung wird dann mit Kaltfrontpassage ausgangs der
Nacht bzw. in den Frühstunden des Sonntags erwartet, wobei einige Modelle - in
erster Linie die Konvektion zulassenden - eine oder gar mehrere Splitfronten
simulieren. Vor allem in den Nordosten wird unmittelbar postfrontal labil
geschichtete Höhenkaltluft geführt (unter -26 Grad, später unter -30 Grad in 500
hPa), so dass neben Schauern auch einzelne Gewitter auftreten können. Hinzu
kommen sehr hohe Scherungswerte, sowohl im Low Level Bereich als auch
hochreichend (0 bis 1 km um 25 m/s, hochreichend teils über 50 m/s), die
hauptsächlich aus Geschwindigkeitsscherung resultieren. ML-Cape wird nur wenig
simuliert (WRF etwa bis 200 J/kg). Insgesamt ist von einer linienförmigen
Organisation der Schauer und einzelnen Gewitter auszugehen. Dazu werden in 850
hPa entlang der Kaltfront Windgeschwindigkeiten bis etwa 70 kn simuliert. Somit
muss in Schauern und Gewittern auch im Binnenland mit orkanartigen Böen,
vereinzelt auch mit Orkanböen gerechnet werden. Betroffen dürfte vor allem die
Osthälfte bis nach Nordostbayern sein (ausgenommen vielleicht noch Vorpommern
und das nördliche Brandenburg, wo die Höhenwinde etwas schwächer ausfallen),
aber auch Teile der Mitte. PEPS simuliert die höchsten Wahrscheinlichkeiten für
Bft 11 vom südöstlichen Niedersachsen über die Südhälfte Sachsen-Anhalts bis
nach Sachsen und das südliche Brandenburg. In etwa für diese Regionen empfiehlt
sich somit die Ausgabe einer entsprechenden Vorabinformation, worüber in der
Morgenkonferenz diskutiert wird.
Ein weiterer "Hotspot" ist wohl insbesondere das östliche Alpenvorland, wo sich
in den Frühstunden im Vorfeld der Kaltfront ein veritabler "Leitplankeneffekt"
einstellt. Auch dort haben einige Modelle Böen Bft 11 auf der Karte und es
empfiehlt sich die Ausgabe einer Vorabinformation.
Nicht ganz so heftig fällt die Windentwicklung im Westen und Südwesten aus. Dort
reicht es meist nur für Böen Bft 7 bis 8, mit Kaltfrontpassage kann es aber auch
dort kurzzeitig Sturm- oder schwere Sturmböen geben.
Ein Nebenschauplatz wettertechnisch stellt noch die Niederschlagsentwicklung
dar. Im Warmsektor gibt es Regenfälle leichter, teils auch mäßiger Intensität,
wobei es aufgrund des stürmischen Windes vor allem in den nördlichen und
östlichen Mittelgebirgen zu kräftigen Staueffekten kommt. ICON-EU und GFS, aber
auch ECMWF simulieren vor allem in den Staulagen von Harz, Thüringer Wald,
Erzgebirge und Bayerischen Wald Mengen über 25 m in 12 Stunden (Dauerregen). An
den Alpen setzen die Regenfälle erst in der zweiten Nachthälfte ein.

Sonntag... verlagert sich der Randtrog rasch weiter über Polen bis zur
Nordukraine und nimmt mehr und mehr eine zentrale Position ein, wodurch sich bis
Montag, 00 UTC ein Höhentiefdipol mit Drehzentren (in 500 hPa) in etwa über dem
Baltikum und eben über der Nordostukraine entwickelt. Somit verbleibt das
Vorhersagegebiet unterhalb der kräftigen nordwestlichen Höhenströmung, die nur
zögernd ein wenig auffächert.
Das Bodentief kann sich vorübergehend noch etwas verstärken und zieht bis
Montag, 00 UTC nach Weißrussland. An dessen Westflanke fächert der Gradient über
dem Vorhersagegebiet vor allem ab mittags deutlich auf, was zu einer Entspannung
der Windsituation führt. Die Kaltfront erreicht mittags oder am frühen
Nachmittag die Alpen. Dahinter folgt von Norden her ein Schwall maritimer
Polarluft mit Temperaturen zwischen 0 und -4 Grad in 850 hPa. Die Höhenkaltluft
streift mit Werten bis -30 hPa in 500 hPa allerdings nur die Osthälfte, so dass
sich postfrontal wohl nur noch dort und eventuell über der Nordsee Schauer und
auch kurze Graupelgewitter entwickeln. Gewitter kann es ebenfalls noch mit
Passage der Kaltfront im Süden geben.
Der Wind nimmt postfrontal zunächst nur zögernd ab, so dass im Norden und Osten
bis in den Nachmittag hinein noch mit Böen Bft 8 bis 9, vor allem über der
Nordsee auch mit Bft 10, auf den Bergen weiterhin mit schweren Sturm- bis
Orkanböen aus Nordwest zu rechnen ist. Erst im Laufe des Nachmittags und Abends
flaut der Wind dann von Westen her deutlicher ab.
Mit Kaltfrontpassage setzen an den Alpen Niederschläge ein, die in Staulagen
auch kräftig ausfallen können. Vor allem ICON-EU simuliert in einigen Staulagen
bis zum Abend mehr als 25 mm in 12 Stunden. Die Schneefallgrenze sinkt
postfrontal bis zum Abend auf etwa 1200 m.
Vor allem im Nordwesten und Norden kann sich im Tagesverlauf auch mal länger die
Sonne durchsetzen, da die Luftmasse dort nicht hochreichend labil geschichtet
ist und sich somit eher nur flache Quellwolken bilden. Im Süden bleibt es
dagegen meist stark bewölkt. Die Temperaturen steigen in der gut durchmischten
Luftmasse auf etwa 9 bis 15 Grad.

In der Nacht zum Montag verbleiben wir unterhalb der jetzt ziemlich glatten
nordnordwestlichen Höhenströmung, wobei sich der Höhenrücken über dem nahen
Ostatlantik allmählich den Britischen Inseln annähert. Mit Abzug des Bodentiefs,
das sich zudem noch allmählich auffüllt, fächert der Gradient über dem
Vorhersagegebiet weiter auf, dazu weitet sich ein Keil des umfangreichen
Hochdruckgebietes über den Britischen Inseln bis nach Südwest- und
Süddeutschland aus.
Somit nimmt der Wind weiter ab und ist im Binnenland bzw. in den Niederungen
nicht mehr warnrelevant. An den Küsten gibt es aber noch stürmische Böen,
anfangs auch Sturmböen, dasselbe gilt für die Gipfel insbesondere der östlichen
Mittelgebirge und der Alpen.
Die Schauertätigkeit in der Osthälfte kommt allmählich zum Erliegen, am längsten
dauert es noch am Erzgebirge. Auch an den Alpen dauern die Niederschläge noch
etwas länger an - allerdings nicht mehr mit allzu hohen Mengen - wobei die
Schneefallgrenze auf etwa 600 bis 800 m, am Erzgebirge teils auch bis 400 m
sinkt. Für eine Schneedecke reicht es aber wohl nur oberhalb von 600 bis 1000 m,
mehr als 10 cm sind dabei aber wohl auch in den Staulagen der Alpen kaum zu
erwarten.
Ansonsten lockern die Wolken verbreitet auf, teilweise - vor allem im Norden und
Nordosten - klart es auch auf. Einzelne Schauer gibt es nur noch im
Nordseeumfeld, sonst bleibt es weitgehend trocken. In höheren Lagen stellt sich
leichter Frost ein, im Norden und Nordosten kann es in windgeschützten Lagen
ebenfalls leichten Luft- oder zumindest Bodenfrost geben.

Montag... erreicht das Drehzentrum des umfangreichen Nord- und Osteuropäischen
Höhentroges Nordwestrussland, der Höhenrücken greift auf die Britischen Inseln
über. Die nordwestliche Höhenströmung über Deutschland bleibt weiterhin recht
glatt konturiert, ohne das nennenswerte synoptisch-skalige Hebungsprozesse
auszumachen sind. Im Tagesverlauf setzt allerdings wieder leichte WLA ein.
Im Bodenfeld verstärkt sich das Hochdruckgebiet über den Britischen Inseln
vorübergehend noch etwas, der von dort ausgehende Höhenrücken weitet sich auf
weite Teile West- und Süddeutschlands aus. Das führt zu einer zögerlichen
weiteren Gradientabnahme. An den Küsten gibt es weiterhin steife, vereinzelt
auch stürmische Böen aus Nordwest, in den Kamm- und Gipfellagen der östlichen
Mittelgebirge kann es ebenfalls stürmische Böen, anfangs auf exponierten Gipfeln
auch Sturmböen geben. Ansonsten ist der Wind nicht mehr warnrelevant.
In der eingeflossenen maritimen Polarluft, die lediglich unterhalb von etwa 800
hPa noch labil geschichtet ist, entwickeln sich zwar Quellwolken, für Schauer
sollte es aber nur noch ganz vereinzelt reichen, am ehesten im östlichen
Bergland und im Nordseeumfeld. Sonne gibt es vor allem in der Nordosthälfte, die
vom Skandenföhn profitieren, ansonsten bleibt es eher bewölkt, vor allem entlang
der Nordwesthänge der Mittelgebirge. Die Temperaturen in 850 hPa bewegen sich
zwischen -1 und -4 Grad, entsprechend sind in der gut durchmischten Luftmasse
Höchstwerte zwischen 7 und 12 Grad zu erwarten, im höheren Bergland um 4 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle simulieren im Kurzfristbereich eine sehr ähnliche
Wetterentwicklung. Aufgrund der eindeutigen Hinweise sowohl der (in erster Linie
Konvektion zulassenden) Modelle und der Probabilistik (PEPS) für orkanartige
Böen bzw. Orkanböen in den oben beschriebenen Regionen kann die Ausgabe der
Vorabinformation bereits am heutigen Vormittag erfolgen.
Kleinere Differenzen ergeben sich eher noch, die simulierten Niederschläge
betreffend. Insbesondere an den Alpen dauert die Staulage nicht allzu lange an,
so dass es fraglich ist, ob (außer an wenigen exponierten Stationen) überhaupt
Warnschwellen für Dauerregen erreicht werden. Die Modelle geben diesbzgl. noch
unterschiedliche Signale (ICON-EU im Oberallgäu und Berchtesgadener Land, GFS
nur im Berchtesgadener Land mehr als 25 mm in 12 Stunden, ECMWF überall weniger)



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff

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