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Thema des Tages

Erst früherer Abend, dann späterer Morgen...

Während unsere bäuerlichen Altvorderen sich in ihren Aktivitäten nach
dem Sonnenstand richteten, teilen wir unseren Tag nach der Uhrzeit
ein, unser Leben wird von Arbeitsabläufen, Terminen und Fahrplänen
bestimmt. Die langen und dunklen Winternächte machen es uns deutlich,
wir leben mit einer künstlichen Zeit, die von Armbanduhr und
elektrischem Licht bestimmt wird. So sind wir im Winter buchstäblich
von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf den Beinen, wogegen uns im
Sommer der dann sehr frühe Sonnenaufgang meist entgeht.

Aufmerksamen Zeitgenossen fällt daher gerade in diesen Wintertagen
etwas Merkwürdiges auf. Zwar war der Tag der Sonnenwende am 21.
Dezember 2016 der kürzeste, jedoch fand der früheste Sonnenuntergang
dieses Jahres bereits am 12. Dezember statt, beispielsweise in
Frankfurt am Main (50°07'N, 08°41'E) um 16:24 Uhr Mitteleuropäischer
Zeit (MEZ). Seitdem verschiebt sich der Sonnenuntergang zeitlich nach
hinten. Demgegenüber erfolgt der späteste Sonnenaufgang in diesem
Winter am 31. Dezember 2016, in der Mainmetropole z.B. um 08:25 Uhr.
Bis dahin verschiebt sich der Sonnenaufgang zeitlich nach hinten.

Dies hat seine Ursache in zwei Phänomenen, und zwar in der
Exzentrizität der Erdbahn sowie der Neigung der Erdbahnebene
gegenüber dem Äquator. Beide Effekte bewirken eine Differenz zwischen
Wirklicher Sonnenzeit oder Wahrer Ortszeit (WOZ, wird von der
Sonnenuhr angezeigt) und einer modellhaften Mittleren Sonnen- oder
Mittleren Ortszeit (MOZ), welche auch von unseren gleichmäßig
laufenden, heute sehr präzisen Uhren angezeigt wird. Beide Phänomene
erzeugen im Jahresgang sinus-ähnliche Kurven der Zeitdifferenz mit
leicht phasenverschobenen Extremwerten, ihre Überlagerung findet sich
in der sog. Zeitgleichung wieder.

Die Erde bewegt sich entgegen dem Uhrzeigersinn in einer schwach
exzentrischen Keplerellipse um unser Zentralgestirn. Wenn sich ihre
Bahngeschwindigkeit (gemäß zweitem Keplerschen Gesetz) in
Perihel-Nähe (um den 3. Januar) vergrößert, benötigt sie bei nahezu
konstanter Eigenrotation mehr Zeit zwischen zwei Meridiandurchgängen.
Der Sonnentag wird länger und die Kulmination der Sonne - per
definitionem Mittag - verzögert sich gegenüber der von gleichmäßig
laufenden Zeitmessern angezeigten 12:00-Uhr-Marke, d.h. eine
Sonnenuhr würde nachgehen. Bei Verringerung ihrer Bahngeschwindigkeit
gegenüber dem Mittelwert, etwa in Aphel-Nähe (um den 5. Juli),
benötigt die Erde weniger Zeit, bis nach einer Umdrehung die Sonne
wieder im Süden steht, d.h. die wahre Sonnenzeit eilt der mittleren
voraus, die Sonnenuhr geht vor.

Bekanntlich steht die Erdachse nicht lotrecht auf der Erdbahnebene
(Ekliptik), vielmehr bildet sie mit ihr einen Winkel von etwa 66,5°,
woraus sich eine Neigung der Ekliptik gegenüber dem (Himmels-)Äquator
von 23,5° ergibt. Während die scheinbare Bewegung der Sonne um die
Erde entlang der Ekliptik erfolgt, bezieht sich die Messung der
Tageszeit auf die Rotation der Erde innerhalb der Äquatorebene und
den Meridiandurchgang der Sonne. Folglich würde sich selbst ein - in
natura nie stattfindendes - gleichförmiges Fortschreiten der Sonne
entlang der Ekliptik nicht als gleichförmiges Fortschreiten auf der
Äquatorebene zeigen. Steigt oder fällt die Sonne entlang der Ekliptik
stark, wie zu den Tag- und Nachtgleichen, verlangsamt sich die auf
die Äquatorebene projizierte Bewegung - eine Sonnenuhr ginge nach;
steigt oder fällt sie schwach, wie zu den Sonnenwenden, beschleunigt
sich die auf die Äquatorebene projizierte Bewegung und die Sonnenuhr
würde vorgehen.

Die durch die Himmelsmechanik unseres Sonnensystems hervorgerufenen
Zeitunterschiede zwischen wahrer und mittlerer Sonne werden in der
Zeitgleichung formal als Differenz zwischen Wahrer Ortszeit (WOZ) und
Mittlerer Ortszeit (MOZ) dargestellt. Die deutlichste Änderung der
Zeitgleichung macht sich in den Tagen um die Wintersonnenwende
bemerkbar, mit Vorzeichenwechsel am 25. Dezember, während sich die
Tageslängen nur geringfügig verkürzen bzw. verlängern. Mitte Dezember
war die Zeitgleichung noch positiv, die Sonnenuhr ging vor, d.h. die
wirkliche Sonne war schneller als die mittlere und sank daher,
gemessen nach unserer Uhrzeit, früher unter den Horizont. Anfang
Januar ist die Zeitgleichung schon deutlich negativ, eine Sonnenuhr
ginge nach, d.h. die wirkliche Sonne ist langsamer als die mittlere
und geht daher, verglichen mit unserer Uhrzeit, später auf.

Aufmerksame Zeitgenossen irren sich also nicht, wenn es ihnen in der
Adventszeit abends, zu Beginn des neuen Jahres hingegen morgens
besonders dunkel erscheint.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.12.2016

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

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