SXDL31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST

SXEU31 DWAV 230800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 23.06.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Sz bzw. TrW
Heute im Westen und Nordwesten, danach auch weiter südlich und östlich teils
schwere Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines
Langwellentroges, dessen Achse sich unmittelbar westlich der Britischen Inseln
nach Südsüdwesten erstreckt, unterhalb einer südwestlichen Höhenströmung, die
vor allem im Süden und Osten des Landes noch antizyklonal konturiert bleibt.
Eingebettet in die Höhenströmung verlagern sich flache Kurzwellentröge, die auch
im höher aufgelösten Isohypsenfeld kaum anhand der Krümmung derselben, dafür
aber umso mehr in den Omega-Feldern (markante trogvorderseitige Hebung)
auszumachen sind, über West- und Nordfrankreich sowie Benelux hinweg
nordostwärts und streifen vor allem ab dem späten Nachmittag zunehmend auch den
Nordwesten Deutschlands.
Im Bodenfeld setzt trogvorderseitig allgemein Druckfall ein. Dabei erstreckt
sich am Nachmittag und Abend eine flache Tiefdruckrinne von Nordwestfrankreich
über Benelux bis nach Nordwestdeutschland, innerhalb derer auch eine deutliche
Windkonvergenz erkennbar ist, während sich nordwestlich davon abgesetzt eine
flache Welle ebenfalls südwest-nordostwärts erstreckt.
Der Schwerpunkt des Bodenhochs über Osteuropa verbleibt in etwa über dem
Baltikum. Somit dauert die Zufuhr subtropischer Luftmassen von Süden her weiter
an bzw. kann sich sogar noch etwas verstärken. Bis zum Abend steigt die
Temperatur in 850 hPa auf Werte zwischen 14 Grad auf Sylt und 22 Grad im
Alpenvorland. Somit sind Höchstwerte von verbreitet über 30 Grad zu erwarten (31
bis 36 Grad), lediglich im Nordwesten sowie an Küstenabschnitten mit Seewind
wird es weniger heiß.
Gleichwohl nimmt auch die potenzielle Instabilität der Luftmasse zu. Die
Taupunkte steigen vor allem in der Westhälfte auf 16 bis 20 Grad, stellenweise
auch darüber. Auffällig sind die von den meisten Modellen viel zu hoch
simulierten Taupunkte von teilweise bis zu 25 Grad (COSMO, GFS). Das hängt wohl
mit einer zu stark simulierten Feuchteanreicherung in den untersten 100 bis 200
Metern der stark gedeckelten Grundschicht zusammen. Realistischere Werte liefert
da zum Beispiel das MOSMIX mit Werten bis knapp über 20 Grad.
Somit dürfte auch die simulierte ML-Cape (2000 bis 2500, im Nordwesten/Westen
auch bis 3000 J/kg, COSMO-DE gar bis über 4000 J/kg) zu hoch sein, punktuell
Werte von über 2000 J/kg (wie sie z.B. vom WRF 4 km gezeigt werden) erscheinen
dagegen realistisch. Die ppw-Werte steigen auf über 40, teilweise auf über 45
mm, allerdings sind diese eindrucksvollen Werte wohl auch den zu hoch
simulierten Taupunkten zuzuschreiben und dürften ebenfalls etwas niedriger
anzusetzen sein.
Apropos Deckelung: Diese ist zunächst noch sehr stark ausgeprägt (CIN bis unter
-100 J/kg), was mit der kräftigen mitteltroposphärischen WLA zusammenhängt.
Diese Luftmasse wird oberhalb der etwa 1 bis 1,5 km dicken Grundschicht aus den
ariden Gebieten Südspaniens nach Mitteleuropa advehiert und zeichnet sich
entsprechend durch niedrige Taupunkte sowie eine hohe Labilität aus, was den
Tatbestand einer EML (elevated mixed layer) erfüllt. Wir haben es somit mit
einer klassischen "loaded gun"-Situation zu tun, der starke Deckel verhindert
zumindest frühzeitige Auslöse.
Die zur "Sprengung" des Deckels notwendige Hebung dürften die weiter oben
angesprochenen Kurzwellentröge liefern. Wann und wo das genau geschieht, ist
nach wie vor unsicher und hängt von sehr vielen unterschiedlichen Faktoren, wie
z.B. den bereits laufenden konvektiven Prozessen über Benelux und
Nordwestfrankreich ab. Die aktuellen Gewitter dürften sich vorübergehend
abschwächen, ehe es an den von dort aus nordostwärts laufenden outflow boundarys
- unterstützt durch die Kurzwellentröge, aber auch durch die Einstrahlung - im
Laufe des Nachmittags wieder irgendwo neu "zündet". Am ehesten dürfte das der
Fall sein in einer Region westnordwestlich einer Linie Eifel - Elbmündung sein.
Angesichts der hohen Labilitätswerte und der vor allem recht markanten
hochreichenden Scherung (20 bis 30 m/s 0 bis 6 km) sind dann sehr rasch
Entwicklungen bis in den Unwetterbereich zu erwarten, vor allem bzgl. Hagels und
Sturms. Dabei sind in den stärksten Entwicklungen durchaus auch Hagel über 4 cm
und Orkanböen nicht ausgeschlossen, zumal die Scherung durchaus organisierte
Strukturen in Form von Bow Echos zulässt. Eventuelle Tornados dürften aufgrund
der nicht allzu ausgeprägten low level shear und der recht hohen Wolkenbasis
zumindest hierzulande eine eher untergeordnete Rolle spielen.
In den Niederschlagssimulationen der Konvektion zulassenden Modellen (COSMO-DE
und WRF 4 km) tauchen bereits ab dem Nachmittag erste Signale auf, nach COSMO-DE
von 3 UTC in Form einer starken Zelle, die bereits in der Simulation der
Radarreflektivität bow echo- Strukturen aufweist, um 15 Uhr auf das Emsland
übergreift und sich bis zum Abend ins südliche Schleswig-Holstein verlagert. WRF
4 km setzt die Konvektion insgesamt weiter südlich an (was angesichts der
aktuellen Situation fast etwas realistischer erscheint), nach dem Modell wäre
bis zum Abend auch bereits der Niederrhein und das Münsterland betroffen.
Diesem hohen Potenzial für Schwergewitter wird in Form einer Vorabinformation,
welche im Laufe des Vormittags für den Nordwesten ausgegeben wird (Laufzeit: 12
bis 00 UTC), Rechnung getragen.
Ob im Süden und Südwesten die Orografie in der Lage ist, als Impulsgeber für
singuläre Gewitterzellen auf den Plan zu treten, ist mehr als fraglich. Wenn,
dann käme vielleicht am ehesten der Schwarzwald infrage (etwas weniger CIN),
während die Luft über den Alpen einfach zu stark gedeckelt ist (dreistellige
CIN-Werte). Modellseitig gibt es allerdings keinerlei Hinweise auf konvektive
Entwicklungen dort.

In der Nacht zum Freitag rückt der Langwellentrog insgesamt etwas näher an den
europäischen Kontinent, insgesamt nimmt die Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet somit eine zyklonalere Struktur an. Der Großteil des Landes
verbleibt aber noch unter schwachen Hochdruckeinfluss, so dass die Nacht ruhig
und warnfrei verläuft. Lediglich im Westen und Nordwesten ist weiterhin mit
kräftigen, teils auch schweren Gewittern zu rechnen (vor allem bzgl. Starkregens
und Sturmes haben die Gewitter nach wie vor Unwetterpotenzial, bevorzugt in der
ersten Nachthälfte), der genaue Ablauf im Detail ist aber noch sehr unsicher und
hängt von der Entwicklung am heutigen Nachmittag/Abend ab. Denkbar ist auch eine
gewisse Beruhigung am späteren Abend und ein zweiter Schub, der im Laufe der
zweiten Nachthälfte auf den Westen übergreift.



Freitag... tropft aus dem Langwellentrog ein Höhentief über der Irischen See ab.
Die Höhenströmung über Deutschland steilt unter zunehmend zyklonaler Struktur
noch etwas auf, wobei flache Kurzwellentröge weiter ostwärts auch auf die
mittleren Landesteile übergreifen können.
Im Bodenfeld kommt die Tiefdruckrinne mit der instabilsten Luftmasse somit etwas
weiter nach Osten voran und verläuft am Abend in etwa über die Mitte
Deutschlands hinweg von Nord nach Süd. Rückseitig gelangt in den Nordwesten und
äußersten Westen bereits wieder eine etwas kühlere und stabilere Luftmasse (T
850 hPa um 14 Grad), während in der Osthälfte - von Bayern bis Ostvorpommern -
nach wie vor Temperaturen in 850 hPa von 17 bis 21 Grad simuliert werden. Die
Kaltfront hängt dagegen noch weit zurück und verläuft in etwa über Benelux bzw.
erreicht gegen Abend den äußersten Westen Deutschlands.
An der hohen potenziellen Instabilität der Luftmasse ändert sich nur wenig,
wobei die Problematik der zu hoch simulierten Taupunkte innerhalb der
gedeckelten Grundschicht bestehen bleibt. ML-Cape und ppw erreichen ähnliche
Werte wie am Vortag, lediglich zusammen mit der Tiefdruckrinne etwas weiter nach
Osten verschoben. Zu erwarten ist, dass sich der Schwerpunkt der konvektiven
Aktivität im Bereich der Tiefdruckrinne abspielen wird, wobei im Detail noch
unklar ist, wo diese überhaupt genau verläuft und wo es als erstes neu auslöst.
Eine gewichtige Rolle dürften dabei erneut die outflow boundaries ehemaliger
Gewitter spielen. Verkompliziert wird das Ganze aber noch zusätzlich durch die
orographische Komponente, die jetzt gegenüber dem Vortag aufgrund der vielen
Mittelgebirge in Deutschland verstärkt ins Spiel kommt.
Nichtsdestotrotz ist im Bereich der Rinne im Tagesverlauf - vor allem aber in
den Nachmittags- und Abendstunden - mit kräftigen und oft auch schweren
Gewittern zu rechnen, die auch organisierte Strukturen aufweisen dürften. Wie
schon am Vortag ist das Hauptrisiko bzgl. unwetterartiger Entwicklungen im
Bereich Hagel und Sturm- bzw. Orkanböen anzusiedeln, das recht niedrig
angesetzte Kriterium für unwetterartigen Starkregen (> 25mm/h) dürfte lokal eng
begrenzt aber ebenfalls problemlos überschritten werden.
Etwas außen vor von diesen starken Entwicklungen dürften noch der äußersten
Osten/Südosten bleiben, wo die Deckelung zu stark ist (Ausnahme: Alpen,
Erzgebirge - dort sind durchaus vorlaufende Entwicklungen möglich), und der
Nordwesten bzw. äußersten Westen im Bereich der von Nordwesten her rückseitig
der Tiefdruckrinne advehierten etwas stabileren Luftmasse.
Wie bei solchen Entwicklungen üblich, simulieren vor allem die Konvektion nicht
zulassenden Modelle die stärksten Niederschläge eher rückseitig der
Tiefdruckrinne, zwischen selbiger und der weit zurückhängenden Kaltfront, und
unterschätzen die Konvektion im Vorfeld. Die Konvektion zulassenden Modelle
haben dagegen rückseitig der Rinne kaum Niederschläge auf der Karte, erst wieder
an der Kaltfront selber, in Form von Schauern und Gewittern, wobei das
Unwetterpotenzial dort dann deutlich geringer bleiben dürfte.
Im Bereich der Rinne selbst gibt es aber seitens der hochauflösenden konvektiven
Modelle durchaus Hinweise auf stärkere Entwicklungen, vor allem vom Hunsrück
über das östliche NRW und das östliche Niedersachsen bis nach Ostholstein
(COSMO-DE von 03 UTC, WRF 4 km ähnlich). Ansätze sind nach COSMO-DE auch über
dem Osten Baden-Württembergs bzw. dem westlichen Bayerns sowie an den Alpen
auszumachen.
Für die Ausgabe einer eventuellen Vorabinformation sollten aufgrund der noch
vorhandenen Unsicherheit noch ein paar Modellläufe abgewartet werden.
Im Osten und Süden bleibt auch am Freitag die Wärmebelastung noch sehr hoch, die
Höchstwerte dürften sich zwischen 31 und 36 Grad bewegen bei überwiegendem
Sonnenschein. Im Norden und Westen wird es dagegen unter den dichteren Wolken
mit 24 bis 31 Grad nicht mehr ganz so warm, im Nordseeumfeld bleibt es eher noch
etwas kühler.

In der Nacht zum Samstag verlagert sich das Höhentief allmählich nach
Südengland, die Höhenströmung dreht mehr auf Süd und vor allem in den westlichen
und mittleren Landesteilen sorgen flache Kurzwellentröge für teils recht
markante Hebungsprozesse.
Die Tiefdruckrinne im Bodenfeld kommt zumindest in den Simulationen der nicht
Konvektion zulassenden Modelle ein wenig weiter nach Osten voran und verläuft
Samstagfrüh von Vorpommern bis nach Bayern, während die Kaltfront unter
Wellenbildung über dem Westen und Nordwesten Deutschlands verläuft. Nach dem
aktuellen Lauf des WRF 4 km soll sich dagegen die Tiefdruckrinne von Westen her
erneut regenerieren, was wohl durch die (auch vom ICON simulierte) kräftige
Hebung vorderseitig eines Kurzwellentroges über Südwestdeutschland getriggert
wird. Entsprechend hat das Modell vor allem in der zweiten Nachthälfte kräftige
konvektiv durchsetzte Niederschläge über Westdeutschland - wohl in Form eines
MCS - auf der Karte, wobei dann durchaus Unwetterpotenzial (in erster Linie
durch Sturm und Starkregen) besteht.
Ansonsten sollte es im Bereich der Tiefdruckrinne auch die Nacht über hinweg
hier und da zu Gewittern kommen; tagesgangbedingt geht zwar das
Unwetterpotenzial etwas zurück, dennoch könnte vor allem das Starkregenkriterium
immer wieder "gerissen" werden. Etwas außen vor von der Gewittertätigkeit
verbleiben wohl der Nordwesten sowie die Osthälfte.


Samstag... verlagert sich das Höhentief weiter Richtung Südengland, der
Vorhersagebereich verbleibt auf dessen Vorderseite unterhalb einer südlichen
Höhenströmung, wobei nach wie vor darin eingelagerte flache und nach Norden
ablaufende Kurzwellentröge für Hebung sorgen.
Im Bodenfeld verlagert sich die Tiefdruckrinne noch etwas weiter nach Osten,
wobei bis zum Abend auch der Südosten auf deren Rückseite gelangt. Die wellende
Kaltfront kommt bis zum Abend in etwa bis in die mittleren Landesteile voran,
postfrontal gelangt kühlere und stabil geschichtete Meeresluft in den Westen und
Nordwesten Deutschlands.
Die Luftmasse im Bereich der Rinne bzw. auf deren Vorderseite weist ähnlich hohe
Instabilitätswerte wie an den beiden Vortagen auf, so dass im Tagesverlauf dort
erneut von kräftigen Gewittern auszugehen ist, die wohl recht rasch
Unwetterpotenzial erreichen. Schwerpunkte lassen sich aus aktueller Modellsicht
noch keine ausmachen, am ehesten betroffen dürften die Regionen ostsüdöstlich
einer Linie Bodensee - Westmecklenburg sein, vor allem Alpen/Alpenvorland und
Erzgebirge. Erneut sind auch organisierte Strukturen möglich, Hagel und Sturm-
bzw. Orkanböen dürften das Hauptunwetterkriterium darstellen.
Rückseitig der Rinne bzw. zwischen Rinne und Kaltfront sind auch konvektive
Entwicklungen denkbar, wobei die Wahrscheinlichkeit für Unwetter deutlich
geringer angesiedelt sein dürfte. Einige Modelle simulieren dort auch teils
länger anhaltende, nur noch vereinzelt konvektiv durchsetzte Niederschläge mit
Anafrontcharakter und Mengen bis in den markanten Warnbereich oder gar bis in
den Unwetterbereich für Dauerregen (ECMWF, COSMO_EU). Derartige Details, die
auch von der genauen Neigung der Kaltfront bzw. der Tiefdruckrinne abhängen,
sind aber aus aktueller Modellsicht noch nicht abzuschätzen. Insgesamt neigen
die Modelle allerdings zu einer Überschätzung postfrontaler Niederschläge.
Vor allem in der Osthälfte kann sich noch länger die Sonne durchsetzen, während
es sonst eher bewölkt bleibt. Die Temperaturen steigen entsprechend von
Ostvorpommern bis nach Südostbayern noch einmal auf 28 bis 34 Grad, während es
ansonsten mit 22 bis 28 Grad deutlich angenehmer temperiert bleibt, sollte es
irgendwo länger regnen, werden, ebenso wie an der Nordseeküste, wo der
Nordwestwind zeitweise stärker auffrischt, kaum mehr die 20 Grad erreicht.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die externen Modelle simulieren eine der deutschen Modellkette sehr ähnliche
großräumige Wetterentwicklung, wobei sich im Detail vor allem bzgl. der
konvektiven Niederschläge doch größere Unterschiede ergeben. Naturgemäß haben
das kurzfristig die konvektiven Modelle (COSMO-DE und WRF 4 km) besser im Griff.
Beide genannten Modelle geben für heute Hinweise auf unwetterartige konvektive
Entwicklungen im Nordwesten und Westen, entsprechend wurde für genannte Gebiete
eine Vorabinfor5mation ausgegeben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff

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