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Thema des Tages

Forensische Meteorologie Teil 1 - Eine spannende Facette der
Meteorologie

Modern-schick bekleidet betritt er den Raum und begutachtet die
Leiche. Aus der Kombination von asymmetrischen Schlammspritzern am
Bein des Opfers, einem fehlenden Ehering, lokalen Wetterberichten
sowie der Abwesenheit eines Regenschirms schließt Sherlock Holmes
beim Auftakt der gleichnamigen BBC-Serie aus dem Jahr 2010 auf den
wahrscheinlichen Verlauf der letzten Stunden im Leben des Opfers und
liefert somit unter Zuhilfenahme des Wetters wichtige Hinweise zu den
Ermittlungsarbeiten des Mordfalls.

Die forensische Meteorologie gestaltet sich in der Realität jedoch
weniger spektakulär und es fehlt sicherlich auch am charakteristisch
stilvollen "Sherlock-Look". Die Hauptaufgabe besteht unter anderem in
der Rekonstruktion von Wetterbedingungen und der Abschätzung ihrer
Auswirkungen auf die menschlichen Aktivitäten. Dabei werden häufig
Beobachtungs-, Radar- und Satellitendaten, Vorhersagen sowie
Modelldaten aus der Vergangenheit zurate gezogen.

In Deutschland werden Witterungsbedingungen zum Zeitpunkt des
Auftritts eines bestimmten Ereignisses (zum Beispiel einer Straftat
o.ä.) direkt in den entsprechenden Unterlagen des Falles vermerkt, um
ein Gesamtbild der Umgebungsbedingungen zu vermitteln. Muss ein
Gutachten erstellt werden, so gibt es verschiedene private
Wettergutachter. Aber auch das Zentrale sowie weitere Regionale
Klimabüros des Deutschen Wetterdienstes stellen amtliche Gutachten
aus, die vor Gericht als Beweismittel dienlich sein können.

Bei schwierigen oder umfangreicheren Wetterlagen oder
Witterungsabschnitten kann in einem Sachverständigengutachten auch
die Übertragbarkeit von Messwerten auf einen bestimmten Raum geprüft
werden. Durch eine sorgfältige Analyse der Wettersituation und der
Auswertung aller erforderlichen meteorologischen Informationsquellen
lassen sich Wahrscheinlichkeitsaussagen zu den Wetterverhältnissen
für einen bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt treffen. Diese
können dann genutzt werden, um beispielsweise eine Zeugenaussage auf
deren Konsistenz zu prüfen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass
sich bei bestimmten Witterungsbedingungen Leute auf der Straße
aufhalten? Wie gut war die Sichtweite zur Tatzeit? Kam es zum
Zeitpunkt eines Unfalls zu einem lokal eng begrenzten
Starkregenereignis?

Besonders wichtig sind Wetterdaten bei einem Leichenfund außerhalb
geschlossener Räume, bei dem eine unnatürliche Todesursache
festzustellen ist. In den ersten Stunden nach Auffinden der Leiche
können Rechtsmediziner anhand der Liegebedingungen beispielsweise den
Todeszeitpunkt über den Unterschied der Körpertemperatur zur Umgebung
bestimmen. Vergehen hingegen mehrere Tage oder Wochen lässt sich der
Todeszeitpunkt anhand des Insektenbefalls, der wiederum ebenfalls von
äußeren Einflüssen wie Temperatur und Feuchtigkeit abhängt,
abschätzen.

Aufgrund der teils sehr großen finanziellen Schäden steigt die
Nachfrage nach Wettergutachten immer weiter. Unter anderem in den USA
gibt es mittlerweile sogar von der American Meteorological Society
(AMS) zertifizierte "Wetterdetektive", die nicht nur fachkundige
Aussagen aufgrund von Wetterdaten vor Gericht tätigen. Die
forensische Meteorologie entwickelt sich wie eine eigene
Wissenschaft, in der systematisch analysiert und geforscht,
modelliert und manchmal auch getestet wird, um meteorologisch
korrekte Schlüsse zu ziehen.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.04.2016

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

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