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Thema des Tages

Die Halligen - im Wandel der Zeit (Teil 1)

Die Macht des Wetters kann einem kaum woanders so direkt und
unbarmherzig vor Augen geführt werden, wie auf dem offenen Meer. Der
Wind weht mal sanft, mal mit all seiner Kraft und formt auf der
Oberfläche der Meere Wellen in unterschiedlicher Größe. Ob Wind, Ebbe
und Flut oder Wellen, die Halligen sind diesen Kräften tagaus, tagein
ausgesetzt und sind daher auch einem ständigen Landschaftswandel
unterworfen.

Um die Entstehung der Halligen in der Nordsee verstehen zu können,
muss in der Geschichte weit zurückgereist werden, und zwar bis zum
Ende der letzten Kaltzeit vor rund 11 000 Jahren. Die während der
Kaltzeit in den gewaltigen Eisschilden gebundenen Wassermassen ließen
den Meeresspiegel im Vergleich zu heute um bis zu 100 Meter absinken,
sodass Schelfmeere wie die Nordsee größtenteils trocken fielen. Nach
dem Ende der Kaltzeit stieg der Meeresspiegel wieder an, sodass viele
Gebiete des heutigen Nordfrieslands erneut vom Wasser bedeckt wurden.
Nachdem der Anstieg rund 2000 Jahre v. Chr. endete, besiedelten laut
Aufzeichnungen um Christi Geburt die ersten Menschen die
Moorlandschaft und betrieben hauptsächlich Torfabbau. Dies allerdings
sorgte mit der Zeit für ein allmähliches Abflachen der Moorlandschaft
und ermöglichte der Nordsee wieder häufiger die Landflächen der
Halligen zu überspülen und der Kampf der Bewohner mit dem Meer und
seinen Gefahren wurde immer intensiver.

Die Geschichte der Halligen ist geprägt von teils verheerenden
Sturmfluten, die nicht nur wiederholt für große Schäden an Häusern
sorgten, sondern auch Menschenleben forderten. Auf Hallig Hooge (und
natürlich auch auf den umgebenden Halligen) sorgten besonders zwei
gewaltigen Sturmfluten für großes Leid und Zerstörung, die zudem auch
das gesamte Erscheinungsbild der Halligen nachhaltig veränderten: die
großen Sturmfluten von 1362 und von 1634 (nähere Informationen im DWD
Lexikon unter ?Mandränke?). Als Folge dieser einschneidenden
Ereignisse begannen die Menschen auf den Halligen Erdhügel
aufzuwerfen, um ihr Hab und Gut, aber auch sich selber vor der
Nordsee zu schützen. Diese Hügel werden als ?Warften? bezeichnet und
bieten dem Vieh und auch den Menschen Schutz bei Sturmfluten. Auch
heute noch werden die Halligen bei starken Stürmen in Verbindung mit
auflaufendem Wasser (der Flut) wiederholt im Jahr überflutet. Dann
heißt es ?Land unter?. In solchen Fällen ragen nur noch die Warften
als kleine Inseln inmitten eines tobenden Meeres aus dem Wasser, was
einen schaurig schönen Anblick bietet.

Die Halligen dienen als natürliche Wellenbrecher für die Nordseeküste
und sind nicht nur ein Erholungs- und Urlaubsort, sondern besitzen
zudem auch neben dem einzigartigen Wattenmeer eine so unglaublich
vielfältige Flora und Fauna, dass die Aufnahme des Wattenmeers mit
seinen Halligen in die Liste der UNESCO-Weltnaturerbe eine logische
und zwingende Folge darstellte.

Ihrer Exponiertheit entsprechend fallen einem bei einem Besuch
allerdings neben der Tierwelt auch sehr interessante meteorologische
Erscheinungen auf. Über Land - und somit die meisten von uns
betreffend - sorgt die mal mehr, mal weniger stark ausgeprägte
Orografie für einen sehr böigen Wind. Auf den Halligen allerdings ist
der Mensch der maritimen Grenzschicht ausgesetzt, die vergleichsweise
glatt ist und dem Wind auch oberflächennah kaum Widerstand bzw.
Reibung entgegenbringt. Daher weht der Wind meist beständig, zwar
auch mit Böen, die allerdings deutlich schwächer ausgeprägt sind.
Besonders auffällig ist dies bei einer Sturmlage.

Der auf den Halligen während der meisten Zeit beständig aus
südwestlicher bis nordwestlicher Richtung wehende Wind formt auch die
Vegetation, die versucht sich dieser Situation anzupassen. Schön kann
dies zum Beispiel an Bäumen und Büschen erkannt werden, die eine
sogenannte "Wuchsanomalie" aufweisen und bevorzugt in die der
Wetterseite abgeneigten Richtung wachsen. Da es so aussieht, als ob
sie vor dem Wind flüchten, werden diese Bäume und Büsche als
sogenannte "Windflüchter" bezeichnet. Großes meteorologisches
Verständnis ist nicht notwendig, um bei deren Sichtung auf die
vorherrschende Windrichtung zu schließen.

Nicht selten bilden sich durch die Küstenform Regionen aus, wo der
Wind vorzugsweise zusammenströmt (konvergiert) und dadurch zum
Aufsteigen gezwungen wird. Durch die aufsteigende und in der Folge
abkühlende Luft bilden sich Schauer und Gewitter sowie sogenannte
"Schauerstraßen" aus. Sie bringen einem relativ eng begrenzten
Bereich wiederholt Niederschläge, während nur wenige Kilometer
entfernt die Sonne durch die Wolken scheint.

Wind, Schauer und etwas Sonnenschein. So zeigte sich auch während
meines Aufenthaltes Anfang September 2017 das Wetter auf der Hallig
Hooge. Doch dieses von mir erhoffte abwechslungsreiche und dem
?Nordseefeeling? entsprechende Wetter wurde am 13. September 2017
abrupt von Sturmtief "Sebastian" unterbrochen. Es folgten schwerer
Sturm und "Land unter". Dazu mehr im zweiten Teil am 27. September
2017.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.09.2017

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

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