SXDL31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST

SXEU31 DWAV 230800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 23.02.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz bis NWz (West bis Nordwest zyklonal)

Ab heute Nachmittag Passage eines Sturmtiefs mit schweren Sturmböen und teils
orkanartigen Böen, auf den Bergen Orkanböen. Rückseitig Zufuhr polarer
Meeresluft mit sinkender Schneefallgrenze.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... steht unweigerlich im Zeichen einer Sturmtiefpassage, bei der die
Modelle hinsichtlich Zugbahn, Timing und Intensität inzwischen eine überaus
akzeptable Kongruenz erzielt haben, was vor Tagen und zum Teil auch noch gestern
ganz anders aussah. Die Rede ist von keinem Geringeren als THOMAS, der gestern
früh noch als flache Welle (rund 1008 hPa) über dem Nordatlantik analysiert
werden konnte, mittlerweile aber zu einem kleinen aber feinen Sturmtief
entwickelt ist, das um 5 UTC mit einem Kerndruck von rund 975 hPa über
Nordirland zu finden war. Mit dieser Intensivierung hat das Tief nicht nur die
Bedingungen einer rapiden oder auch explosiven Zyklogenese erfüllt (mind. 24 hPa
Vertiefung in 24 h), sondern kann guten Gewissens aus als Schnellläufer
bezeichnet werden, legt es doch bis Freitagfrüh locker mehr als 1500 km zurück.
Ob es sich bei THOMAS um eine Shapiro-Keyser-Zyklone handelt oder eher der
klassischen Bjerkness-Theorie entspricht, lässt sich nicht eindeutig beantworten
und soll an dieser Stelle auch nicht weiter vertieft werden (wichtiger sind die
Auswirkungen des Tiefs). Wahrscheinlich handelt es sich aber um ein
"Hybridmodell", das von Beidem etwas aufzubieten hat.
Wie auch immer, eingelagert in die gut ausgeprägte und stramme, vom mittleren
Nordatlantik bis auf den europäischen Kontinent reichenden Frontalzone vertieft
sich das Tief heute Morgen noch etwas, so dass es bei knapp über 970 hPa
Kerndruck landen dürfte (um 8 UTC wurden über der Irischen See 972-hPa-Meldungen
registriert), was etwas unter den meisten numerischen Prognosen liegt. Dabei
zieht das Tief auf Ostkurs via Mittelengland zur Nordsee, wo es heute Abend 18
UTC etwa das Seegebiet knapp nördlich der Westfriesischen Inseln erreicht. Bis
dahin hat sich das Tief immer weiter in die mittlere und obere Troposphäre
gebohrt, was ein Mäandrierenden der anfangs noch relativ glatten Frontalzone
respektive die Ausbildung eines Höhentroges zur Folge hat, der freilich auch
durch Kaltluftadvektion rückseitig des Tiefs mitgeneriert wird.
Aktuell befinden wir uns noch fernab von THOMAS in einer in einer glatten
südwestlichen Grundströmung, die über der Norddeutschen Tiefebene ein Minimum
aufweist, sonst in Böen Stärke 7-8 Bft, auf einigen Bergen darüber erreicht.
Zudem befindet sich über der nördlichen Mitte eine schleifende Kaltfront, die
nun aber zunehmend in die Warmfront des besagten Sturmtiefs übergeht. Diese
Luftmassengrenze trennt sehr milde Luft im Süden - dort werden mit Hilfe von
Einstrahlung heute über 15°C, Richtung Alpen mit Westföhn punktuell vielleicht
sogar 20°C erreicht - von erwärmter Meereskaltluft im Norden, wo es nur für 5
bis 10°C reicht (in der Mitte liegen wir thermisch dazwischen). Hinzu kommen
insbesondere im Norden im Wesentlichen WLA-getriggerte Hebungsprozesse ergo
Regenfälle, die sich im Tagesverlauf mehr und mehr nordostwärts verlagern, was
aber einige Zeit in Anspruch nimmt. Von daher verwundert es nicht, dass
12-stündig noch mal 5 bis 10 mm, gebietsweise sogar rund 15 mm bis heute Abend
zusammenkommen. Auf das aktuelle Warnmanagement hat das keinen Einfluss, im
Gegenteil, die Dauerregenwarnungen im Westen können wahrscheinlich teilweise
vorzeitig aufgehoben werden.
Relevanter ist auf alle Fälle die Windentwicklung ab heute Nachmittag. So nimmt
der SW-Wind mit Ausnahme des NOs und SOs von Westen her stetig zu und erreicht
in Böen bis in tiefe Lagen Stärke 8-9 Bft, in höheren Lagen entsprechend mehr
bis hin zu Stärke 12 Bft (Orkan) in exponierten Kamm- und Gipfellagen. Mit
Übergreifen der Kaltfront von Benelux her sind sogar schwere Sturmböen 10 Bft
und im Falle einer organisierten konvektiven Linie - die hohen Scherungswerte
und auch die simulierten Pseudoreflektivitäten deuten darauf hin, dass sich
etwas derartiges entwickelt - sind bei Schauern und Gewittern (die sind trotz
geringer CAPE-Werte nicht auszuschließen) sogar einzelne 11er-Böen denkbar (in
850 hPa teils über 60 Kt, in 925 rund 50 Kt). Die Kaltfront überquert bis zu
Abend die mittleren Landesteile und erreicht dann Süddeutschland, um in der
kommenden Nacht an den Alpen anzulanden. Dabei können im Frontbereich nach wie
vor Maximalböen 10 Bft, auf den Bergen auch darüber auftreten.

Am Abend und in der Nacht zum Freitag zieht das Tief zügig über Jütland hinweg
und dann wahrscheinlich knapp an der der Küste MVs entlang in Richtung Baltikum,
wobei es sich nur langsam auffüllt. Mit Verlagerung des Tiefs greift ein zweites
Sturmmaximum auf die westlichen Landesteile über, das sich über die Mitte
ostwärts verlagert. Es handelt sich um einen klassischen Trogsturm mit einer
saftigen Gradientverschärfung auf der SW-Flanke des Tiefs (aktuell werden an der
irischen und walisischen Küste 11er- und sogar 12er-Böen beobachtet, wobei hier
teilweise Küsteneffekte eine Rolle spielen). Hinzu kommen immer noch kräftige
Höhenwinde mit bis zu 70 Kt in 850 hPa und zunehmend einfließende Höhenkaltluft,
die den Impulstransport fördert. Lange Rede, kurzer Sinn, in einem Streifen, der
von NRW und dem nördlichen RP über des südliche NDS, Nordhessen, Thüringen und
großen Teilen Sachsen-Anhalts bis nach Sachen und die Lausitz bzw. dem
Fichtelgebirge reicht, ist die Wahrscheinlichkeit für Böen 10 bis 11 Bft bis in
tiefe Lagen (Bergland sowieso, teils 12 Bft) am größten. Auch die Küste (Nordsee
stärker als Ostsee) bekommt rückseitig des Tiefs noch mal ein Windmaximum bis zu
10 Bft und gleichzeitiger Winddrehung auf nördliche Richtungen ab, nachdem man
ja vorher aufgrund der Nähe zum Tiefkern windmäßig eher "vernachlässigt" wurde.
Ansonsten gilt es natürlich noch zu erwähnen, dass rückseitig der Kaltfront ein
Schwall polarer Meeresluft in den Vorhersageraum, in der die 850-hPa-Temperatur
von NW her auf -5°C oder etwas darunter zurückgeht. Dabei kommt es zu weiteren
Niederschlägen bei sukzessive sinkender Schneefallgrenze. Im Norden kann es
gebietsweise sogar bis ganz runter nass schneien, für eine richtige Schneedecke
sollte es aufgrund der warmen Vorgeschichte und der limitierten Andauer aber
nicht reichen. Trotzdem, etwas Glätte durch Schneematsch ist natürlich nicht
auszuschließen. In den Mittelgebirgen sinkt die Schneefallgrenze auf etwa 600
bis 300 m, an den Alpen bis zum Morgen auf unter 1000 m. Zum Teil bildet sich
eine dünne Schneedecke von 1 bis 3, lokal 5 cm, im Allgäu in entsprechender Höhe
reicht es sogar für 5-10, lokal 15 cm. Entsprechend muss mit Glätte durch
Schnee, Matsch oder gefrierende Nässe gerechnet werden.

Freitag... zieht Sturmtief THOMAS alsbald über die baltischen Staaten ostwärts
ab, wobei es sich weiter auffüllt und schlussendlich in das Zirkulationssystem
eines weiteren, über Finnland positionierten Tiefs übergeht. Bei uns steigt der
Luftdruck deutlich an, was sich in Form eines nach Süddeutschland gerichteten
Hochkeils manifestiert. Damit kommt die eingeflossene Polarluft zur Ruhe, was
aber nur die halbe Wahrheit ist. Richtig ist, dass der auf W bis NW gedrehte
Wind bereits in der Nacht beginnend von W und SW her deutlich abnimmt. Am
Vormittag sind im Osten aber noch Wind- und Sturmwarnungen nötig, bevor am
Nachmittag wohl nur noch ein paar Höhenlagen warnrelevante Böen aufweisen (bis
zu 8 Bft in exponierten Lagen).
Nun zur zweiten Hälfte der halben Wahrheit (quasi der Unwahrheit, aber jetzt
nicht ins Philosophische abgleiten). Sie betrifft die Niederschlagsaktivität,
die aufgrund des in der Höhe über Deutschland hinwegschwenkenden Troges (siehe
auch oben) mit höhenkalter Luft von rund -35°C in 500 hPa eben nicht zur Ruhe
kommt. Anfangs treten im Osten noch skalige Niederschläge auf, teils bis ganz
runter als nasser Schnee oder Schneeregen. Sonst kommt es bevorzugt in Teilen
West- und Süddeutschlands zu schauerartigen, im Bergland teils auch mal länger
andauernden Niederschlägen, wobei die Schneefallgrenze je nach Intensität etwa
zwischen 200 und 500 m zu verorten ist. In den Mittelgebirgen kommen dabei 1-5,
lokal auch etwas mehr Neuschnee zusammen, an den Alpen sind es 5 bis 10 cm,
staubedingt punktuell bis zu 15 cm. Das Temperaturniveau liegt nur noch bei 3
bis 9°C, im Süden örtlich bei 10°C.

In der Nacht zum Samstag verstärkt sich der Hochkeil noch etwas. Der Höhentrog
zieht nach Osten ab, so dass die Kaltluft zunehmend stabilisiert. Folgerichtig
nimmt die Niederschlagsneigung ab, vor allem an den Alpen kann es aber noch
etwas schneien. Ansonsten steht verbreitet leichter Frost auf dem Programm,
Glätte durch gefrierende Nässe inclusive.

Samstag... wölbt sich von SW her ein breiter Höhenrücken mit mäßiger Amplitude
auf. Er stützt den Bodenhochkeil, der sich zu einem eigenständigen Zwischenhoch
manifestiert. Das Problem dabei: Der Höhenrücken wird von z.T. kräftiger WLA
überlaufen, die sich vorderseitig eines umfangreichen Tiefkomplexes über dem
Ost- und Nordostatlantik einstellt. Das Haupt(sturm)tief liegt am Mittag über
der Irminger See, die zugehörige Warmfront aber bereits über der Nordsee, Kurs
N/NW-Deutschland.
Kurzum, trotz verbreitetem Hochdruckeinfluss dürfte die Sonne wohl nur im Süden
(vor allem Bayern/BW) für längere Zeit zu sehen sein. Ansonsten kommen mehr und
mehr mittelhohe und hohe, von Westen auch tiefe Wolken ins Spiel, die sich nicht
unbedingt als Freunde der Sonne entpuppen. Doch damit nicht genug, im NW beginnt
es sogar zu regnen, wobei sich der Regen bis zum Abend allmählich ostwärts
ausbreitet. In den Mittelgebirgen kann es anfangs schneien.
Mit Annäherung der Warmfront nimmt der Gradient über und an der Nordsee wieder
zu, so dass der SW-Wind böig auffrischt mit Spitzen 7 Bft, vereinzelt 8 Bft. Die
Temperatur steigt auf 4 bis 10 Grad, am Oberrhein vielleicht etwas darüber.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle haben sich bezüglich des Sturmtiefs weitgehend angepasst. Auch die
weitere Entwicklung offenbart keine substanziellen Diskrepanzen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann

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