SXDL31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST

SXEU31 DWAV 291800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 29.08.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht im äußersten Nordwesten gewittriger Starkregen möglich. Am Mittwoch
im Westen und Norden teils kräftige Gewitter mit Unwettergefahr, zum Donnerstag
hin in den Osten und Süden verlagernd. Am Freitag im Süden und später im Osten
Dauerregen möglich.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland zwischen einem langgestreckten, vom
westlichen Mittelmeer bis in den Nordwesten Russlands reichenden Höhenrücken und
einem zunächst noch flachen, aber sehr breiten Trog über dem nahen Ostatlantik.
Die Nordhälfte liegt bereits hinter der Rückenachse unter einer zunehmend
zyklonal konturierten südwestlichen Höhenströmung, die im Laufe der Nacht mit
Annäherung des sich amplifizierenden Trogs etwas stärker wird. Somit haben vor
allem im Norden und Westen die troposphärischen Strömungsbedingungen für
eventuelle zyklonale "Schweinereien" in Form von Niederschlag und Konvektion
deutlich verbessert, wenn, ja wenn auch weiter unten die Voraussetzungen gegeben
sind.
Auf den ersten Blick sieht das nicht schlecht aus, verlagert doch das heute noch
wetterbestimmende Bodenhoch seinen Schwerpunkt weiter nach Osten Richtung
Weißrussland/Ukraine. Damit wird der Weg frei für eine Tiefdruckrinne, die von
Frankreich und Benelux her ganz allmählich auf den Vorhersageraum übergreift.
Sie wird nach Nordwesten hin von einer schleifenden, zu einem Nordmeertief
gehörenden Kaltfront begrenzt, die über der Nordsee ante portas liegt. Aufgrund
ihrer höhenströmungsparallelen Ausrichtung tut sie sich schwer, Boden nach
Südosten hin gutzumachen, tut es letztlich aber doch etwas. Die große Frage ist,
wie weit wird sie kommen, denn die meisten Modelle simulieren für die Nacht
einen sehr schmalen, offensichtlich frontgebundenen (Stichwort: frontale
Querzirkulation) Streifen mit Starkregen. Dieser Streifen bleibt je nach Modell
mal außen vor, mal tangiert er Teile Nordwestdeutschlands. Von daher empfiehlt
es sich, im offiziellen Vorhersageterminus einen Korridor zu erwähnen, der etwa
vom Emsland und Ostfriesland bis nach SH reicht, in dem teils gewittriger
Starkregen (1- oder 6-stündig) im markanten Bereich auftreten kann. Apropos
Gewitter, zwar ist die Luftmasse in unmittelbarer Frontnähe sowie knapp
präfrontal nicht überbordend labil, gleichwohl ist etwas MU-CAPE von 100 bis 400
J/kg, was einzelne, von der Grundschicht entkoppelte, teils auch eingelagerte
(Stichwort: Warmlufteinschubgewitter) ermöglicht. Auch ist nicht gänzlich
ausgeschlossen, dass von Frankreich und Benelux her einzelne Zellen in der
zweiten Nachthälfte in den Westen und Nordwesten hereindriften.
Ansonsten soll natürlich nicht verschwiegen werden, dass der größte Teil des
Landes vor einer ruhigen, meist gering bewölkten oder klaren Nacht mit einzelnen
Nebelfeldern (vor allem im Süden vielleicht sogar warnwürdig) steht. Während der
Abkühlprozess im Osten und Südosten noch gut funktioniert (meist 16 bis 10°C),
sieht das nach Westen hin schon etwas anders aus. In einigen Metropolen sowie
exponierten Mittelgebirgslagen reicht es sogar für eine Tropennacht mit einem
Temperaturminimum von
>= 20°C.

Mittwoch ... verkürzt sich die Wellenlänge zwischen dem nur langsam ostwärts
abwandernden Höhenrücken und dem sich weiter dem Kontinent nähernden Trog. Dabei
gelangen der Westen und Norden des Landes an den Rand der in dieser Jahreszeit
freilich nur mäßig ausgeprägten, aber doch vorhandenen und von NW-Frankreich und
England bis nach Finnland verlaufenden Frontalzone. Genauer, sie kommen sogar in
die Nähe des linken Einzugsbereichs, wo nach den Regeln der quasigeostrophischen
Diagnostik Höhendivergenz induziert und somit synoptisch-skalige Hebungsprozesse
begünstig werden. Hinzu kommen möglicherweise nordostwärts ablaufende flache
KW-Tröge, auch wenn diese weder im Potenzialfeld (zumindest nicht mit dem
zugegeben bereits schon etwas altersschwachen Auge des Verfassers) noch in der
IPV-Darstellung erkennbar sind). Unter dem Strich finden wir also zumindest im
Westen und Norden weiterhin gute Rahmenbedingungen bezogen auf die großräumige
Skala.
Nun gilt es also zu untersuchen, wie dich die Angelegenheit weiter unten so
darstellt. Dabei fällt zunächst mal das flache Tief ins Auge, das von Frankreich
her über Belgien auf Westdeutschland zusteuert, Approach in der Mittagszeit und
dann weiter ziehend Richtung Norden, wo es am Abend irgendwo zwischen Werder und
dem HSV (also dem großen, aber nicht unbedingt besseren aus HH) aufschlägt. Da
das Tief (NEPOMUK) auf der warmen Seite der o.e. Luftmassengrenze entlangzieht,
wird diese vorübergehend etwas nach draußen, also vom Vorhersageraum
weggedrückt. Damit nimmt bei uns auch die Gefahr der weiterhin von den Modellen
simulierten frontgebundenen Starkregenfälle ab, auch wenn sie anfangs noch Teile
der Nordseeküste (plus angrenzendes Binnenland) und SHs traktieren können.
Sollten aus der Nacht heraus noch etwaige Schauer- oder Gewitterreste im Westen
oder Nordwesten vorhanden sein, ziehen diese unter klassisch vormittäglicher
Abschwächung nordostwärts ab.
Etwa ab den Mittagsstunden entwickeln sich im Westen erste Gewitter (teils
diabatisch, teils begünstigt durch eine sich in der Längsachse des elliptisch
konfigurierten Tiefs ausbildende Konvergenz), die sich wahrscheinlich zu einer
Linie mit integrieren Multi- oder sogar einzelnen Superzellen organisieren.
Diese wird aufgrund ihrer höhenströmungsparallelen Ausrichtung nicht etwa flott
nach Osten durchziehen, sondern sich eher gummibandmäßig nordostwärts ausweiten.
Dabei kann es passieren, dass einige Orte von mehreren Zellkernen innerhalb der
Linie getroffen werden, was die Starkregengefahr erhöht. Grundsätzlich muss man
aber sagen, dass die präfrontale Subtropikluft einen hochgradig
konvektionsfreudigen Treibstoff darstellt mit PPWs um oder sogar über
40 mm, ML-CAPE vielfach über 1000 J/kg (lokal um 1500 J/kg oder etwas darüber)
und günstigen Scherungsbedingungen (LLS bis zu 15 m/s, DLS bis 20 m/s). Oder mit
anderen Worten, die Wahrscheinlichkeit starker Gewitter mit allen bekannten
Begleiterscheinungen ist sehr hoch, und auch der diesen Sommer schon so häufig
benutzte (aber nicht abgenutzte) Begriff "UNWETTER" bleibt uns auch morgen wohl
nicht erspart. Diese können sowohl durch Starkregen als auch durch größeren
Hagel verursacht werden. Sturmböen 8-9 Bft stehen freilich auch auf der Karte,
wohingegen schwere Sturmböen 10 Bft zwar nicht ausgeschlossen, auf der anderen
Seite aber auch nicht hochgradig wahrscheinlich sind. Zum einen fehlt es ein
bisschen an Höhenwind (T850 meist nur 20-30 KT), zum anderen mangelt es an
ausreichend Scherung zwischen 0 und 3 km, die starkwindbegünstigend wirkt. Und
last but not least fehlt es an einem antreibenden KW-Trog, der dem Ganzen den
nötigen Punch verleihen könnte sowie an der nicht gegebenen Orthogonalität
zwischen Linie und Höhenströmung. Wie gesagt, alles graue Theorie, we will see
what happens...
Als ob das alles noch nicht genug wäre, sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass
auch der Südwesten - grob gesprochen die Gegend um den Schwarzwald, die
Schwäbische Alb und den Hochrhein herum - zunehmend gewittergefährdet ist.
Tagsüber ist die Luftmasse zunächst noch gedeckelt, was sich mit Abzug des
Höhenrückens zum Abend hin aber ändert. Dann können sich auch dort einzelne,
aber durchaus kräftige Gewitter entwickeln oder von den Vogesen bzw. dem Jura
reinziehen, Unwetter ebenfalls möglich. Im größten Teil Süddeutschlands sowie im
gesamten Osten passiert bis zum Abend sehr wahrscheinlich aber noch nichts, wenn
man mal von reichlich Einstrahlung und Hitze von 29 bis 34°C absieht.
Ach ja, bei der ganzen Philosophiererei über mögliche und unmögliche Gewitter
hätte der Verfasser fast vergessen, dass mit Annäherung des Bodentiefs der
Nordostwind auf und an der Nordsee (vor allem Ostfriesland) auffrischt mit
einzelnen Böen 7 Bft.

In der Nacht zum Donnerstag verbleiben wir unter der südwestlichen
Höhenströmung. Das Bodentief zieht ganz allmählich zur Ostsee raus und die
Kaltfront überquert trotz weiterhin strömungsparalleler Exposition große Teile
West- und Norddeutschlands. Damit verschiebt sich auch die Zone potenzieller
Gewitter mehr und mehr in die südlichen und östlichen Landesteile. Wie stark
diese noch sein werden, wo sie wann genau auftreten usw. kann heute noch nicht
abschließend bewertet werden, weil Vieles ja auch von der Entwicklung am Tag
abhängt, einer Entwicklung, die oben zwar ausführlich beschrieben wurde, die
aber rein konzeptionell und theoretischer Natur ist.
Von daher ist auch noch unsicher, ob an der im Süden zurückhängenden Front in
der zweiten Nachthälfte eine Welle von Frankreich her auf den Südwesten mit
gewittrigen Regenfällen übergreift. Und auch eine potenzielle Schaueraktivität
postfrontal im Nordwesten wird von der Numerik derzeit noch unterschiedlich
behandelt.

Donnerstag ... kommt zwar der westlich von uns liegende Höhentrog noch etwas
dichter an Deutschland heran, wirklichen Zugriff bekommt er aber nicht. Braucht
er auch nicht, schließlich behalten wir die schon bekannte von Südwest nach
Nordost verlaufende Kaltfront, die ebenfalls noch etwas nach Osten vorankommt,
dabei aber keineswegs den gesamten Vorhersageraum hinter sich lässt. Sie trennt
Reste der feuchtwarmen und labil geschichteten Subtropikluft im Südosten (vor
allem in Bayern, evtl. auch noch in Teilen Sachsens und dem südlichen BB) von
mäßig warmer und stabilerer Nordseeluft im Norden und Westen (T850 am Abend
zwischen rund 5°C vom Niederrhein bis SH und 17°C im Chiemgau sowie in
Niederbayern). Letztere Luftmasse gelangt unter leichten Druckanstieg, der sich
in Form eines langsam ostwärts vorstoßenden Azorenhochkeils widerspiegelt. Dabei
gestaltet sich der Wetterablauf wechselhaft mit einzelnen wenigen Schauern
(Höhenkaltluft fehlt).
Deutlich mehr ist nach Südosten hin los. Zum einen kommt es auf kalten Seite der
Front zu skaligen, nicht-gewittrigen Regenfällen, die durch eine leidliche
vertikale Gegenstromlage (N-NW-Wind bis etwa 850/800 hPa, darüber SW-Wind)
begünstigt werden. Die Numerik sieht den Schwerpunkt im Süden und in der Mitte.
Ob dabei irgendwo das 6-h-Stark- oder das 12-h-Dauerregenkriterium gerissen
wird, ist noch offen.
An der Front selbst schließt sich ein schmaler Übergangsbereich mit teils
gewittrigen Regenfällen an, während ganz im Südosten die
Gewitterwahrscheinlichkeit am größten ist. Vor allem wenn es noch mal eine
gewisse Zeit einstrahlen sollte, was vor allem im SO-Bayern möglich ist, könnte
es konvektiv gut zur Sache gehen. Der Treibstoff jedenfalls ist energiereich
genug mit PPWs von 35 bis 40 mm und ML-CAPE bis zu 1500 J/kg (wenn es denn von
der Einstrahlung noch reicht) bei guter DLS. Zwar fehlt es an Dynamik aus der
Höhe, doch konfluente Windstrukturen am Boden und die Orografie sowie eine
mögliche thermisch direkte Zirkulation in Frontnähe sollten als Zündmechanismen
für konvektive Umlagerungen bis in den Unwetterbereich (vor allem durch
Starkregen und Hagel, evtl. aber auch schwere Sturmböen) ausreichen.
Die Temperatur, also die tageshöchste, reicht von 16/17°C im westlichen
Mittelgebirgsraum bis zu 30°C vor den Gewittern in Südostbayern, was für einige
Regionen einen korpulenten Temperatursturz gegenüber heute und Mittwoch
bedeutet.

In der Nacht zum Freitag kommt es in der Südosthälfte zu weiteren, teils
ergiebigen und von Schauern und Gewittern durchsetzten Regenfällen, die
zumindest gebietsweise wahrscheinlich Stark- und/oder Dauerregenkriterien im
markanten, wenn nicht sogar im Unwetterbereich erfüllen. Ursache sind die
andauernde Gegenstromlage mit schleifender oder gar wellender, nur wenig
südostwärts vorankommender Kaltfront und ein weiterhin hoher Flüssigwassergehalt
der gehobenen Luftmasse (30 bis 40 mm PPW).
Im N und W reißt die Bewölkung vielfach auf und es kühlt gebietsweise bis in den
einstelligen Bereich ab.

Freitag ... zeichnet sich eine Vb-artige Situation ab, was für Teile Süd- und
Ostdeutschlands nichts Gutes bedeuten würde. Zwar verschwimmen die Details
derzeit noch, weil jedes Modell so seine eigene Ansicht von der bevorstehenden
Entwicklung hat, doch gibt es ausreichend Gemeinsamkeiten, die zumindest den
groben Verlauf mit ausreichend Signifikanz vorhersagen lassen.
Als Das Modell mit dem extremsten Szenario entpuppt sich ICON. Es lässt über
Österreich ein flaches Tief entstehen, das mit der süd-südwestlichen
Höhenströmung langsam nord-nordostwärts gesteuert wird. Unter Einbeziehung der
knapp östlich von uns immer noch lagernden feuchten Warmluft kommt es
vorderseitig des o.e. Höhentroges zu kräftiger WLA (weiterhin Gegenstrom) ergo
synoptisch-skaligen Hebungsprozessen, die andauernde und gebietsweise ergiebige
Regenfälle mit schauerartigen oder gar gewittrigen Einlagen zur Folge haben. In
Franken und am Alpenrand werden 12h-Peaks von knapp 50 mm simuliert, wobei sich
der Schwerpunkt am Abend und in der Nacht in die östlichen Landesteile
verschieben soll.
Andere Modelle sind bisher noch zurückhaltender, während COSMO-LEPS und ECMF-EPS
die höchsten Überschreitungswahrscheinlichkeiten weiter westlich sehen
(Baden-Württemberg, Schwaben). Kurzum, es sind zwar noch einige Fragen offen,
das Potenzial für eine sehr regenlastige Wetterlage in Teilen des Landes ist für
Freitag definitiv gegeben.


Modellvergleich und -einschätzung
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Wie bereits mehrfach im Haupttext erwähnt, zeigen die Modelle hinsichtlich der
Detailentwicklung noch mehr oder weniger große Unschärfen. Hinzu kommt, dass
viele Überlegungen - vor allem den morgigen Mittwoch betreffend - auf Basis
konzeptioneller Modelle fußen, was in der Wettervorhersage - speziell bei der
Gewitterprognose - zwar unerlässlich ist, einen Tag später aber schon wieder
Schall und Rauch sein kann.
Auffallend in den neuesten 12-UC-Läufen, die bisher vorliegen, ist die Tatsache,
dass die Konvektion morgen etwas später einsetzen soll als bisher angenommen.
Von daher ist es opportun, eine mögliche Vorabinfo vor SCHWEREN GEWITTERN auf
morgen früh/Vormittag zu verschieben, wenn weitere Erkenntnisse vorliegen. Das
gilt übrigens auch für mögliche Tornados, die zu den o.e. Begleiterscheinungen
noch hinzukommen könnten, auch wenn die Voraussetzungen nicht zu 100% astrein
sind.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann

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