SXDL31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST

SXEU31 DWAV 301800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 30.08.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts nach Osten ausweitende teils kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial.
Donnerstag vor allem im Südosten nochmals Unwettergefahr!

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines umfangreichen
westeuropäischen Langwellentroges, der vom Nordmeer über die Britischen Inseln
und die Iberische Halbinsel hinweg bis nach Nordmarokko reicht. Im Laufe der
Nacht kommt der Trog nur geringfügig nach Osten voran, so dass sich das
Vorhersagegebiet nach wie vor unterhalb einer südwestlichen Höhenströmung
befindet. Diese ist auf dem ersten Blick relativ glatt konturiert, dennoch
werden mit ihr flache kurzwellige Troganteile nordostwärts geführt, auf deren
Vorderseite auch etwas synoptisch skalige Hebung, in erster Linie aufgrund von
PVA, generiert wird.
Im Bodenfeld verlagert sich ein kleinräumiges und flaches Tiefdruckgebiet im
Laufe der Nacht von Nordwestdeutschland allmählich nach Südschweden und kann
sich dabei noch etwas vertiefen. An dessen Süd- und Südostflanke befinden sich -
mit Ausnahme des Nordwestens - weite Teile des Vorhersagegebietes weiterhin im
Warmsektor des Tiefs im Einflussbereich einer potenziell instabil geschichteten
Luftmasse. Darin eingebettet, überquert eine Konvergenz (Windsprung von
Südsüdost auf Westsüdwest) nachts den Großteil des Landes ostwärts. Die
Kaltfront des Tiefs erreicht Donnerstagfrüh in etwa eine Linie Ostholstein -
Mosel.
Die instabilste Luftmasse befindet sich dabei mit MU-Cape-Werten zwischen 500
und 1000 J/kg bzw. PPW-Werten (außerhalb simulierter Gewittercluster) teils über
35 mm entlang bzw. knapp westlich der Konvergenz.
Aktuell haben sich bereits erste Schauer und Gewitter entlang (im Nordwesten)
bzw. westlich der Konvergenz (in der Mitte bzw. im Westen) entwickelt. Mit
Annäherung des Westeuropatroges bzw. der Passage kurzwelliger Anteile verbessern
sich im Laufe des Abends und der ersten Nachthälfte allmählich die
Scherungsbedingungen (DLS nachts in der Mitte, im Bereich der höchsten MU-Cape,
um 20 m/s, teilweise mehr, LLS etwa 10 bis 15 m/s). Zusammen mit leicht
zunehmendem Hebungsantrieb dürften die Gewitter im Laufe des Abends häufiger
auftreten, die meist recht gradlinig verlaufenden Hodographen in den
Prognosetemps lassen bei guter hochreichender Scherung auch linienförmige
Organisation der Gewitter erwarten bis hin zu einer kleinen Wahrscheinlichkeit
für Bow-Segmente, wobei dagegen ein wenig die nicht optimale Richtungsscherung
in der Grundschicht spricht.
Die "Hotspots" der Gewittertätigkeit dürften sich zunächst im Westen und
Südwesten, später dann vor allem in den mittleren und östlichen Landesteilen
befinden, wobei noch unklar ist, wie weit die Gewittertätigkeit nach Osten
ausgreifen kann, was auch stark von der Eigendynamik eventueller Gewitterlinien
(linienförmige MCS`e) abhängt.
Die meisten Konvektion zulassenden Modelle simulieren auch entlang der
Konvergenz konvektive Aktivität, womit dann auch die gesamte Osthälfte im Laufe
der Nacht betroffen wäre.
Die Begleiterscheinungen dürften sich überwiegend im markanten Warnbereich
abspielen, insbesondere bzgl. Starkregens und anfangs auch noch Hagels sind vor
allem in der ersten Nachthälfte punktuell natürlich auch Unwetter möglich. Bei
linienförmiger Organisation, vor allem im Falle des Auftretens von Bow-Segmenten
muss natürlich auch das Windkriterium in Betracht gezogen werden, Böen Bft 10
bis 12 sind vor allem in der ersten Nachthälfte dann durchaus möglich.
Gewitteraktivität wird auch im Bereich der Kaltfront bzw. in deren Vorfeld
simuliert, wobei dort die Begleiterscheinungen insgesamt etwas schwächer
ausfallen dürften. Einige Modelle simulieren auch eine Kaltfront mit
Anafrontcharakter bzw. leichte Wellenbildung im Bereich der Front, sprich: Eher
skalige Niederschläge auf deren Rückseite im Nordwesten Deutschlands, wobei aber
keine Warnschwellen erreicht werden sollten.
Als Nebenschauplatz sei zum Abschluss noch kurz der Wind im Bereich der
Deutschen Bucht angesprochen, der mit Abzug des Tiefs über Dänemark bzw. die
südwestliche Ostsee nach Schweden vorübergehend auffrischt mit Böen Bft 7 aus
Nord.

Donnerstag ... verbleiben wir auf der Vorderseite des Westeuropatroges, der mit
seiner Achse bis zum Abend das westliche Mittelmeer erreicht. Die Höhenströmung
ist nach wie vor recht glatt konturiert, so dass nur wenig dynamische
Hebungsantriebe auszumachen sind. In erste Linie wird Hebung entlang des quer
über Deutschland schleifenden, sich nur langsam südostwärts verlagernden
Frontensystems simuliert.
Dieses soll bis zum Abend nach Lesart der meisten Modelle schließlich auch den
Südosten des Landes erreichen bzw. überqueren, wobei es in weiterer Folge
aufgrund einer Zyklogenese über Norditalien über dem Alpenraum erneut
zurückgehalten wird.
Somit verbleibt der Südosten Deutschlands - also Teile Bayerns und eventuell
auch die Lausitz - zunächst noch im Einflussbereich der potenziell instabilen
Luftmasse, wobei vor allem die Konvektion zulassenden Modelle (z.B. AROME von 00
UTC und WRF 4 km von 03 UTC, aber auch COSMO-DE von 12 UTC) die Kaltfront
langsamer vorankommen lassen als ICON-EU bzw. GFS oder ECMWF. COSMO-DE z.B.
simuliert - ähnlich wie WRF 4 km, nur etwas früher -im Vorfeld der Kaltfront am
Nachmittag ein Leetief im Alpenvorland, so dass der Wind im Süden und Osten
Bayerns auf Nordost zurückdrehen kann und sich eine sehr günstige bodennahe
Richtungsscherung einstellt. Genügend Einstrahlung vorausgesetzt können dort
noch einmal etwa 1500 bis an die 2000 J/kg ML-Cape generiert werden. Dazu
gesellt sich hochreichende Scherung von 20 bis 25 m/s, teilweise sogar darüber.
Somit wären alle Zutaten für eine Schwergewitterlage dort gegeben. Im Detail ist
das Ganze natürlich noch schwer abzuschätzen, sowohl das Szenario einer bis
zweier diskreter Superzellen, gefolgt von einer Squallline als auch ein
langlebiges Bow-Echo sind denkbar. Die Begleiterscheinungen beider Szenarien
würden natürlich Unwetterkriterien genügen, Szenario 1 eher mit Schwerpunkt
Großhagel und Starkregen, Szenario 2 eher Orkanböen. Ein ähnliches Szenario war
z.B. auch am 18.8. verantwortlich für eine großräumige Schwergewitterlage in der
Mitte und im Süden Bayerns.
Das hier beschriebene Szenario stellt zwar den Worst Case dar, allerdings wird
es momentan von nahezu allen Konvektion zulassenden Modellen simuliert. Sollte
es sich mit den morgigen 00 UTC-Läufen manifestieren, ist auf jeden Fall die
Ausgabe einer Vorabinformation empfehlenswert.
Im unmittelbaren Frontbereich - also in einem Streifen ungefähr von
Baden-Württemberg bis nach Brandenburg bzw. Ostvorpommern gibt es weiterhin
gebietsweise teils schauerartig verstärkte Niederschläge, wobei auch vereinzelte
Gewitter mit Starkregen nicht ausgeschlossen sind. Mit beginnender Zyklogenese
und Deformation der Front über dem westlichen Alpenraum können sich die
Niederschläge im Südwesten zum Abend hin eventuell verstärken.
Postfrontal gelangt erwärmte Polarluft nach West- und Norddeutschland mit
Temperaturen zwischen 5 und 7 Grad in 850 hPa. Vor allem Richtung Nordsee - in
der Nähe zur Trogachse - ist die Luftmasse auch leicht labil geschichtet, so
dass sich Schauer und kurze Gewitter entwickeln können.
Im Südosten können, sollte oben beschriebenes Szenario eintreffen, vor den
Gewittern nochmals Höchstwerte um oder gar über 30 Grad erreicht werden.
Ansonsten liegen sie zwischen 17 und 23 Grad.

In der Nacht zum Freitag erreicht die Trogachse Zentralfrankreich wobei die
Vorderseite vor allem über Norditalien zunehmend diffluent konturiert ist und
dort auch kräftige Hebung simuliert wird, die eventuell auch den Alpenraum und
den äußersten Süden Deutschlands beeinflussen kann.
Im Bodenfeld kommt das Frontensystem über dem Alpenraum nicht weiter nach Süden
voran und verwellt. Die bodennahe Winde über Süddeutschland drehen postfrontal
auf Nord bis Nordwest, während in der Höhe Südwestwind vorherrscht. Somit kommt
es nördlich des Frontensystems zu Aufgleitniederschlägen, die auch auf den Süden
und Südosten des Vorhersagegebietes übergreifen und vor allem nach Osten zu
zeitweise auch konvektiv durchsetzt sein können. ICON-EU und GFS simulieren
dabei bis Freitagfrüh im Allgäu und in der Oberlausitz gebietsweise mehr als 25
mm in 12 Stunden, ICON-EU sogar mehr als 40 mm (Unwetter), wobei die
Niederschläge auch am Freitag tagsüber noch anhalten sollen, so dass sich eine
Dauerregenlage einstellen könnte. ECMWF hat derlei Summen aber nicht auf der
Karte.
Im übrigen Land verläuft die Nacht im Einflussbereich eines sich allmählich nach
West- und Norddeutschland ausweitenden Azorenhochkeils wettertechnisch ruhig.
Lediglich im Nordseeumfeld reicht es über dem warmen Nordseewasser eventuell
noch für vereinzelte Schauer. Stellenweise kann sich allerdings Nebel bilden.

Freitag ... kommt der Trog weiterhin kaum nach Osten voran und erstreckt sich
mit seiner Achse am Abend über Benelux und Ostfrankreich nach Süden, so dass wir
noch auf dessen Vorderseite verbleiben.
Vor allem über dem südlichen und östlichen Mitteleuropa kommt es dabei weiterhin
zu recht markanten Hebungs- und Aufgleitprozessen. Dabei verlagert sich ein
Bodentief von Slowenien allmählich nach Südostpolen und vertieft sich noch ein
wenig.
Somit dauern die Niederschläge im Südosten und Süden weiter an, wenn auch mit
allmählich abnehmender Intensität. Bis zum Abend werden nochmals 10 bis 25 mm
simuliert, an den Alpen und in der Lausitz gebietsweise auch mehr. 24-stündig
ergeben sich nach Lesart des ICON-EU insbesondere für Oberschwaben, das Allgäu
und für Ostsachsen unwetterartige Mengen von 50 bis 70 mm. GFS und ECMWF ziehen
da aber nicht mit und simulieren mit ähnlicher räumlicher Verteilung Mengen im
markanten Warnbereich. Somit sollte "der Ball auch zunächst flachgehalten"
werden, zumal ICON-EU bei derlei Wetterlagen öfter mal über das Ziel
hinausgeschossen ist.
Im übrigen Land stehen dagegen kaum warnrelevanten Wetterereignisse auf der
Karte. Der Nordwesten und Westen geraten mehr und mehr in den unmittelbaren
Einflussbereich des Troges mit Temperaturen um -20 Grad in 500 hPa und etwa +5
oder knapp darunter in 850 hPa. Dort reicht die Labilität für einzelne Schauer
und eventuell sogar für ein vereinzeltes kurzes Gewitter.
Dafür kann sich dort noch am ehesten die Sonne durchsetzen, während es im Süden
und Südosten wohl teilweise ganztägig bedeckt bleibt. Passend zum
meteorologischen Herbstanfang liegen die Höchstwerte nur noch zwischen 15 und
20, vielleicht knapp 21 Grad, im Dauerregen werden dagegen nur 12 bis 14 Grad
erreicht.

In der Nacht zum Samstag verlagert sich der Trog nun endgültig nach
Mitteleuropa. Das Bodentief über Südostpolen zieht nach Nordostpolen, während
sich ein Keil des Azorenhochs über den Britischen Inseln verstärkt. Somit stellt
sich über dem Vorhersagegebiet eine bodennah schwache nördliche Strömung ein.
Dabei kommt es im Süden, vor allem im südlichen Baden-Württemberg und Bayern,
aber auch in Sachsen und Südbrandenburg zu weiteren Niederschlägen, bei auf
teils unter 4 Grad sinkenden Temperaturen in 850 hPa sinkt die Schneefallgrenze
an den Alpen morgens auf etwa 1800 bis 1600 m. Vor allem Richtung Alpen werden
zwölfstündig nochmals mehr als 25 mm simuliert.
Ansonsten ist im Laufe der Nacht kaum mit warnrelevanten Wetterereignissen zu
rechnen, wobei es vor allem im Westen und im Nordseeumfeld noch einzelne
Schauer, über der Nordsee eventuell kurze Gewitter geben kann. Gebietsweise
lockern die Wolken auch stärker auf, dann kann sich bei geringer Bewölkung
örtlich Nebel bilden.

Samstag ... verbleiben wir im Einflussbereich des Troges, der über Mitteleuropa
abtropft und eine elliptische Ausrichtung annimmt. Das Bodentief verlagert sich
allmählich zur südöstlichen Ostsee, wobei an dessen Westflanke skalige
Niederschläge meist leichter Intensität noch die Osthälfte beeinflussen. Dort
werden aber meist weniger als 5 mm in 12 Stunden simuliert. Auch an den Alpen
und im Alpenvorland regnet es mit der nördlichen Anströmung weiter, wobei dort
meist 10 bis 15 mm, gebietsweise bis an die 20 mm simuliert werden.
Im übrigen Land lebt mit der Einstrahlung und der Labilisierung der Grundschicht
im Tagesverlauf die Schauertätigkeit auf, wobei 100 bis 300 J/kg ML-Cape
simuliert werden bei Temperaturen um -22 Grad in 500 hPa und +3 bis +5 Grad in
850 hPa, so dass auch kurze Gewitter mit starken Böen, Graupel bzw.
kleinkörnigem Hagel und eventuell Starkregen nicht ausgeschlossen sind. Vor
allem im Südwesten simuliert ICON-EU mehr als 10 mm, im Schwarzwaldstau auch bis
nahe 25 mm in 12 Stunden.
Während im Süden und Osten eher ein trüber Tag ins Haus steht, kann sich im
Norden und Westen zwischen den Schauern auch mal die Sonne zeigen, vor allem
Richtung Nordsee. Die Temperaturen machen allerdings weiterhin keine großen
Sprünge und kommen nicht über 14 bis 19 Grad hinaus, am Alpenrand werden kaum 10
Grad erreicht.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Wetterlage wird von allen Modellen ähnlich simuliert. Die bei
Gewittern üblichen Unterschiede im Detail wurden bereits im Text besprochen,
insbesondere, was eine eventuelle morgige Schwergewitterlage im Südosten
Deutschlands angeht. Mit der Ausgabe einer Vorabinformation sollte aber nicht
gezögert werden, falls sich diese Version in den kommenden Modelläufen
manifestiert.
Im weiteren Verlauf, speziell für die Nacht zum und für den Freitag tagsüber,
deutet sich für den Süden und Südosten eine markante Dauerregenlage an. ICON-EU
steht mit den bis in den Unwetterbereich simulierten Regenmengen aktuell
ziemlich alleine da, so dass bzgl. einer eventuellen Vorabinformation auf jeden
Fall "die Füße noch stillgehalten" werden sollten. Bzgl. der räumlichen
Verteilung der Niederschläge in Süddeutschland besteht aktuell allerdings
erstaunliche Einigkeit zwischen den Modellen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff

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