SXEU31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST

SXEU31 DWAV 270800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 27.07.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: am ehesten HFz (Hoch Fennoskandien zyklonal)

Heute limitiert im Osten und Süden, morgen verstärkt und organisierter in weiten
Teilen Deutschlands Gewitter bis hin zu Unwettern. Am Sonntag wieder
Wetterberuhigung. Heute vorübergehender Höhepunkt der Hitze (vor allem
hinsichtlich der Tops), aber danach mitnichten wohlige Frische.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... Beim heutigen Blick auf die großräumige Potenzialverteilung könnte
man auf den verwegenen Gedanken kommen, dass die Atmosphäre ein vergleichsweise
inspirationsloses Medium ist. Immer das Gleiche, was einem da geboten wird. Auf
der einen Seite gut ausgeprägter Trog über dem nahen Ostatlantik mit Drehzentrum
süd-südwestlich von Island, auf der anderen Seite ein umfangreicher aber flacher
Trogkomplex mit mehreren Drehzentren über dem östlichen Mittel-, dem nahen Ost-
und weiten Teilen Südosteuropas. Last but not least unser saisonaler
Dauerbrenner - das Höhenhoch über Skandinavien respektive dem fennoskandischen
Raum. Und was bedeutet das nun für Deutschland, wie sind wir positioniert
zwischen so viel mitteltroposphärischer Prominenz? - Richtig, wir liegen mehr
oder weniger zwischen den Stühlen, wobei der Osten und Süden am heutigen Freitag
bei allerdings gradientschwachen Basisbedingungen tendenziell eher zyklonal
beeinflusst wird (durch einen von Südpolen und Tschechien übergreifenden
Randtrog). Im Westen und Norden hingegen macht sich eine schmale Potenzialbrücke
bemerkbar (sie verbindet besagtes Höhenhoch mit einem flachen Rücken über dem
westlichen Mittelmeer), an der aber - wie einst Max und Moritz beim Schneider
Böck - langsam "gesägt" wird, sich zumindest heute aber noch als resistent
entpuppt.
Nicht viel Neues gibt es auch vom Luftdruck und der Luftmasse zu berichten.
Anfangs lässt sich noch ein schwacher Keil eines Hochs über Nordeuropa
ausmachen, der sich im Tagesverlauf aber peu a peu nach NO zurückzieht. Tja, und
dass sich bei uns Heißluft durchgesetzt hat, sollte mittlerweile jedem
aufgefallen sein. 850-hPa-Temperaturen von 14 (im NO) bis 20°C (im W) sprechen
eine klare Sprache. Dabei könnte es sein, dass bei Einstrahlung satt der
Tagesrekord von gestern - speckige 38°C in Duisburg-Baerl - noch mal getoppt
wird mit rund 39°C, die 40°C-Marke sollte aber unangetastet bleiben, was
natürlich schlecht für die Medien ist. 38°C hin, 39°C her, egal wie es ausgeht,
Deutschland steht einmal mehr vor einem landesweit heißen Tag mit verbreitet
Höchsttemperaturen jenseits der 30°C-Schwelle, lediglich im Ostseeumfeld (bei
mäßigem und mitunter böig auffrischendem Ost-Nordostwind), in höheren Lagen
sowie in Südostbayern und am Alpenrand bleibt es mit hohen Zwanzigern "angenehm
frisch".
Stell sich abschließend nur noch die Frage, wie es sich denn heute mit der
Gewitterei verhält. Dazu muss man wissen, dass die Luftmasse in der Osthälfte
zwar nicht so labil ist wie weiter westlich, dafür um Längen feuchter, was u.a.
durch die schon heute früh von Osten hereindriftenden Wolkenfeldern (+ einem
Schauer)verdeutlicht wird. Mit Hilfe der Einstrahlung wird in der Osthälfte
gebietsweise ML-CAPE von 500-1000 J/kg (vereinzelt auch etwas darüber)
generiert, während nach Westen hin die unterer Troposphäre weiter abtrocknet, so
dass so gut wie gar kein CAPE aufgebaut werden kann. Kurzum, insbesondere im
Osten und Südosten werden im Tagesverlauf bevorzugt aber nicht ausschließlich
aus dem Bergland heraus einzelne Überentwicklungen ausgelöst (die
Auslösetemperatur von rund 30°C ist machbar). Der o.e. Randtrog dürfte aufgrund
der schwachen Höhenwinde und damit weitgehend fehlender Advektionsprozesse als
Impulsgeber zwar keine prominente Rolle einnehmen, auf der anderen Seite wirkt
er aber auch nicht als Hemmschuh. Bei langsamer Verlagerung der Zellen steht
Starkregen bis in den WU-Bereich ganz oben auf der Agenda (PPWs um oder sogar
über 30 mm), aber auch Hagel mit Korngrößen bis in den Bereich um 2 cm
Durchmesser sowie Böen bis 8 oder gar 9 Bft (trockene Grundschicht => inverses V
=> Micro-/Downburstgefahr) sollten jetzt nicht die völlige Überraschung sein.

In der Nacht zum Samstag bricht die schmale Potenzialbrücke zusammen. Der Grund
dafür liegt in der Tatsache, dass der Trog über dem nahen Atlantik in seinem
Südteil Richtung Kontinent schwenkt, dabei eine zunehmend negative (also nach SO
gerichtete) Achsstellung einnimmt und - ganz wichtig - Verbindung zum östlichen
Trogkomplex aufnimmt. Damit weicht die Brücke einer Potenzialrinne, deren
Wetterwirksamkeit sich zunächst aber noch in Grenzen hält.
Im Gegenteil, die am Abend noch auftretenden Schauer und Gewitter fallen dem
Tagesgang zum Opfer, was im Einzelfall allerdings etwas länger dauern kann.
Ansonsten fällt der Luftdruck und von Westen her greift eine Rinne auf den
Vorhersageraum über, die aber offensichtlich keine "Nachteule" ist und somit
vergleichsweise inaktiv unser Gebiet erreicht. Die Haupthebung jedenfalls wird
über Frankreich und Belgien simuliert, wo es zu schauerartigen Regenfällen und
Gewittern kommt, die uns zunächst noch nicht tangieren. Allerdings kann nicht
ausgeschlossen werden, dass in den frühen Morgenstunden erste Schauer- oder
Gewitterreste auf Westdeutschland übergreifen.
Erwähnt sei noch der sich verschärfende Druckgradient zwischen Rinne und
Nordeuropahoch über der Nordsee, wo der Ostwind auf offener See in der Spitze
durchaus Stärke 6-7 Bft erreichen kann. Und ganz wichtig, die Temperatur. Gerade
im Westen und Nordwesten, wo später (wohl aber erst nach der Mondfinsternis)
Wolken aufziehen, bleibt die Nacht übel warm (vielfach über 20°C =>
Tropennacht). Wenn man sich anschaut, wie es heute früh in Belgien und den
Niederlanden aussieht, sind morgen früh stellenweise sogar Werte nahe 25°C nicht
ausgeschlossen, was den "Vorteil" hätte, dass man sich über einen Sommertag
keine Gedanken mehr machen müsste. Au ha...

Samstag... macht der Trog (genauer gesagt sein Südteil) von Westen her weiter an
Boden gut, so dass die Höhenströmung bei uns auf Süd bis Südwest dreht. Auf
seiner leicht diffluenten Vorderseite wird etwas PVA generiert, die aber erst
relativ spät auf die westlichen Landesteile übergreift und dabei von leichter
KLA teilkompensiert wird. Trotzdem wird in den Diagnosekarten in der Westhälfte
etwas dynamische Hebung erzeugt, deren Schwerpunkt nach ICON im Nordwesten zu
finden ist. Somit wird das mitteltroposphärische Strömungssetup zwar deutlich
gewitterfreundlicher als das z.B. heute noch der Fall ist, die ganz große
dynamische Nummer ist es auf der anderen Seite aber auch nicht.
Wichtig ist der Blick in die unteren troposphärischen Gefilde, wo die
Tiefdruckrinne mit eingelagerter Konvergenz relativ zügig ostwärts vorankommt
und am Nachmittag bereits die östlichen Bundesländer erreicht, wobei sie nach
Norden hin etwas zurückhängt. Von Westen her folgen eine, möglicherweise auch
zwei Kaltfronten (einige Modelle liefern durchaus zwei kurz hintereinander
folgende Temperaturgradienten, wobei der hintere der ausgeprägtere ist und somit
die eigentliche Zufuhr weniger heißer und stabilerer Luft einleitet.
Wie auch immer, in der Rinne wird die stärkste Labilität simuliert, hinzu kommt
eine ständige Feuchteanreicherung, so dass gebietsweise ML-CAPE von rund 1000
J/kg oder auch etwas mehr erzeugt werden kann. Während sich am Vormittag im
Bereich der Rinne die konvektiven Umlagerungen wahrscheinlich noch in Grenzen
halten (evtl. Reste aus Benelux und Frankreich), dürfte es später mit dem
Tagesgang dann stärker zur Sache gehen, vor allem im Nordteil der Rinne, wo sie
besser ausgeprägt ist als im Süden. Einmal mehr steht Starkregen als
begleitender Parameter ganz oben auf der Karte, aber auch Hagel (2-3 cm) und
Sturmböen bis 9 Bft (inverses V => Mikro-/Downbursts; evtl. ist sogar eine
untere 10 Bft drin) sind möglich, auch wenn der Organisationsgrad mangels
ausreichend Scherung eher niedrig ist. Trotzdem ist eine linienartige Struktur
(siehe COSMO-D2, SuperHD oder auch Arome) denkbar, Multizellen sowieso.
Vorderseitig der Rinne lebt der auf SO rechtdrehende Wind etwas auf, wodurch
trockenere Luft in die Rinne gemischt wird (Entrainment), die für eine Dämpfung
der Konvektion im Osten und Nordosten sorgen und auch als Erklärung herhalten
könnte, warum die Numerik mit der Gewitterbildung zumindest teilweise etwas
verhalten agiert (vor allem ICON).
Rückseitig der Rinne respektive Konvergenz setzt Druckanstieg ein und der
Bodenwind dreht auf westliche Richtungen, was häufig für eine Stabilisierung
spricht, so dass man zu der Meinung kommen könnte, der Kuchen sei gegessen. Dem
dürfte morgen allerdings nicht so sein. Zwar geht die Temperatur bodennah und
auch niedertroposphärisch etwas zurück, es bildet sich aber nur eine ganz
schwache Inversion in der unteren Troposphäre. Weiter oben bleibt eine gut
durchmischte und relativ feuchte Schicht mit ausreichend MU-CAPE (teils bis 1000
J/kg) übrig, während ML-CAPE aufgrund reduzierter Einstrahlung (viel Bewölkung)
geringer ist. Hinzu kommt ein zweites Feuchtemaximum, das mit PPWs von z.T. über
40 mm und spezifischen Feuchten von 12 bis 15 g/kg (untere 200 m) aufwartet, was
ein echtes Brett ist.
Kurzum, mit Annäherung der Kaltfront bzw. der Kaltfronten, die zudem gut mit dem
Höhentrog harmonisieren, überquert am Nachmittag und Abend eine zweite und
zumindest für den Westen aktivere Gewitterlinie (jetzt auch mehr Scherung als
bei der Konvergenz) die westlichen Landesteile ostwärts. Dabei besteht vor allem
Starkregengefahr (25-40 mm innert kurzer Zeit), aber auch Hagel sowie Sturmböen
bis hin zu einer "schwachen Zehn" (stärkerer Höhenwind) sollten ins Kalkül
gezogen werden.
Die Achse der wärmsten Luft verschiebt sich mit 850-hPa-Temperaturen von bis zu
20°C mehr und mehr in den Osten, während es im Westen bis zum Abend auf nahe
10°C abkühlt. So werden an Ems und Rhein sowie westlich davon ebenso wie
zwischen Schwarzwald und Allgäu keine 30°C mehr erreicht, die Wärmebelastung
bleibt aufgrund der hohen Feuchte aber trotzdem relativ hoch (Stichwort
Schwüle). Ansonsten lautet die Devise "30 plus", nach Osten hin, wo es am
längsten einstrahlt, punktuell um 35°C.

In der Nacht zum Sonntag läuft die Rinne recht bald aus Deutschland raus,
gefolgt von der Kaltfront (sollten es vorher zwei gewesen sein, so sind diese
jetzt zu einer verschmolzen). Entsprechend verlagert sich das konvektive
Geschehen mit anfangs ähnlichen Bedingungen wie am Tage über die Mitte nach
Osten, wo sich das Ganze in der zweiten Nachthälfte abschwächt bzw. nach Polen,
Tschechien und Austria abzieht.
Rückseitig der Front gelangt ein Schwall gemäßigter Warmluft insbesondere in den
Norden und Westen des Landes (T850 8-10°C), was mit Ausnahme küstennaher Areals
sowie einiger betonlastiger Innenstädte Temperaturminima von unter 15°C zur
Folge hat - herrlich! Im Osten und Süden hingegen muss man zumindest teilweise
noch Tiefstwerte um 20°C ertragen.

Sonntag... beruhigt sich die Wetterlage. Das Potenzial steigt an und erzeugt
einen flachen Rücken, der ein flaches Bodenhoch stützt und für leichtes Absinken
sorgt. Die Kaltfront erreicht in ihrem Nordteil Polen, hängt aber nach Süden hin
etwas zurück. Dort ist sie zwar nicht mehr aktiv, trennt aber die Reste der
labileren Warmluft im äußersten Süden und Südosten von stabilerer Warmluft im
übrigen Land. Ob es - nachdem am Morgen bzw. am Vormittag die letzten
nächtlichen Gewitter und Regenfälle von dannen gezogen sind - tagsüber noch mal
zu konvektiven Umlagerungen kommt (Alpenrand, Bayerischer Wald, fränkische
Mittelgebirge, Erzgebirge), ist fraglich. Tatsache ist, dass in weiten Teilen
des Landes trotz einiger Wolken häufig die Sonne scheint und die Temperatur
verbreitet auf 27 bis 33°C steigen lässt. Einzig in höheren Lagen sowie an
Küstenabschnitten mit Seewind wird es nicht ganz so heiß.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Entwicklung ist unstrittig, die Details schon noch. Gerade der
morgige Samstag ist vom Wetterablauf nicht ganz trivial. Trotzdem zeigen
insbesondere die hochaufgelösten Modelle erfreulich viele Gemeinsamkeiten, die
auch die Basis für die im Haupttext artikulierten Gedanken darstellen. Trotzdem
bleiben einige Unsicherheiten bestehen, die erst relativ kurzfristig geklärt
werden können. Von daher ist auch eine mögliche Vorabinformation zumindest zum
jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann

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