SXDL31 DWAV 1800UTC DWD Synoptische Uebersicht KURZFRIST

SXEU31 DWAV 301800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 30.08.2015 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht zum Montag im NW erneut aufkommende Gewitter, lokal Unwetter
möglich und am Morgen/Vormittag ost-nordostwärts ziehend. Ab Montagabend von
Westen her Kaltfrontpassage mit teils kräftigen Gewittern und nachfolgendem
Temperatursturz.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland großräumig betrachtet zwischen einem
umfangreichen Höhenhoch über Süd- und Südosteuropa und einem nach SW
zurückhängenden Trog, der vom Nordmeer bis zum Seegebiet knapp westlich der
Iberischen Halbinsel reicht. Unter dem Strich bedeutet das für unseren Raum eine
weitgehend antizyklonal konturierte südwestliche Höhnströmung, die im Nordwesten
und Norden allerdings anfällig ist für kurzwellige Troganteile, die von
Frankreich und Benelux sowie dem Ärmelkanal heranschwenken. Zwar sind diese
Tröge nicht zwingend mit dem bloßen Auge im Strömungsfeld auszumachen, ihre
Existenz wird aber anhand der numerischen Omega-Felder dokumentiert. Eines
dieser Omegamaxima respektive KW-Tröge erreicht in der Nacht zum Montag den
Nordwesten, wo er - unterstützt durch Advektion zyklonaler Scherungsvorticity -
für einen signifikanten dynamischen Hebungsimpuls sorgt.
Damit ist eine Grundvoraussetzung für konvektive Umlagerungen geschaffen, aber
auch das sonstige Umfeld ist "günstig" für schauerartige Regenfälle und teils
kräftige Gewitter. Zum einen liegt eine nach Osten gerichtete Tiefdruckrinne mit
eingelagerter Konvergenz vor, während die eigentliche Luftmassengrenze
(Warmfront) am Nordrand der Rinne zu finden ist. Hinzu kommt ein relativ
explosiver "Treibstoff" in Form labil geschichteter Warmluft mit hohen
MU-CAPE-Werten (z.T. über 1000 J/kg), einem sehr hohen Gehalt an
niederschlagbarem Wasser (PPWs teils über 40 mm) und mäßiger bis starker
Scherung (vor allem DLS 20-30 m/s, später auch LLS bis 15 m/s, allerdings etwas
weiter südlich). Vorstellbar ist ein Szenario, wonach in der 2. Nachthälfte
schauerartige Regenfällen und auf deren warmen Seite kräftige Gewitter von
Belgien und den Niederlanden her den NW erreichen, um sich von dort
ost-nordostwärts auszubreiten. Betroffen sind etwa die Regionen nördlich von
Niederrhein bzw. Münsterländer Tieflandsbucht bis hoch zur Nordsee. Wie die
Erfahrungen von vergangener Nacht bzw. heute früh zeigen, können die Gewitter
schnell über die Unwetterschwelle kommen mit Starkregen, Hagel und/oder
/schweren) Sturmböen. Entsprechende Warnungen müssen freilich in situ getätigt
werden. Sollte es in der Realität zu einer höheren Kongruenz von hoher LLS,
niedrigem HKN und substanziellem MU-CAPE kommen als von COSMO-EU simuliert, ist
auch ein Tornado nicht ausgeschlossen.
Bei allem Respekt vor den möglichen konvektiven Umlagerungen, im größten Teil
des Vorhersageraums verläuft die Nacht ruhig mit dem einen oder anderen
Nebelfeld. Vom Bonus zum Malus könnte der schleppende Temperaturrückgang werden,
wenn nach dem lauen Abend auf der Terrasse oder dem Besuch einer
Freiluftveranstaltung der Gang ins Bett angesagt ist und es mit dem Lüften nicht
so recht klappen will. Wie auch, wenn die Temperatur bei hoher Luftfeuchte
mancherorts nicht unter die 20-Grad-Marke sinkt.

Montag ... ist nicht nur der letzte Tag des Augusts 2015, es steht auch der
letzte Tag des meteorologischen Sommers auf der Karte. Da will sich die
Atmosphäre nicht lumpen lassen und gibt noch mal ordentlich Gas, bevor dann zum
Dienstag - etwas verzögert gegenüber älteren Modellrechnungen - eine Kaltfront
für einen regelrechten Temperatursturz sorgt.
Bis es soweit ist, verbeiben wir zunächst noch im breiten Warmsektor eines
Frontensystems, dessen Warmfront am Mittag etwa entlang der deutschen
Küstenlinie verläuft, während sich die Kaltfront über Westfrankreich und dem
Ärmelkanal befindet. Bedingt durch die Annäherung des o.e. Troges an den
europäischen Kontinent fällt der Luftdruck über Westeuropa weiter, so dass sich
aus der ehemaligen Rinne ein eigenständiges Tief entwickelt, das um 12 UTC mit
einem Kerndruck von etwas unter 1010 hPa unweit der Rheinmündung liegt (ICON).
Gleichzeitig steilt die Höhenströmung etwa auf, weil sich die Wellenlänge
zwischen dem Trog und dem langsam ostwärts abwandernden Höhenrücken verkürzt.
Zunächst mal ziehen die schauerartigen Regenfälle und Gewitter aus der Nacht
ost-nordostwärts in Richtung SH und Ostsee sowie MV ab, wobei nach wie vor
Unwettergefahr besteht. Danach stellt sich ähnlich wie heute eine ruhige Phase
ein, bevor es am Abend, vielleicht auch erst in der Nacht zum Dienstag im Westen
mit neuen kräftigen Gewittern losgeht.
Ansonsten scheint im größten Teil des Landes einmal mehr die Sonne in eine
potenziell instabil geschichtete Warmluft, in der die Temperatur mit Ausnahme
des äußersten Nordens und Nordwestens noch mal verbreitet die 30-Grad-Marke
überschreitet und in der Mitte/Süden punktuell sogar 35°C erreicht. Zur
diabatischen Auslöse von hochreichender Konvektion wird das sehr wahrscheinlich
nicht reichen, dazu müsste es noch heißer werden. Und auch die Orografie wird
sich aufgrund eines immer noch vorhandenen Deckels schwer tun, die Rolle als
"Geburtshelfer" für Gewitterzellen einzunehmen, wie man heute bereits erkennen
konnte.

In der Nacht zum Dienstag zieht das Tief unter Intensivierung zur Nordsee, wo es
nach ICON eine Doppelstruktur annimmt. Um 06 UTC befindet sich ein kleiner
1000-hPa-Kern knapp westlich von Jütland. Die zugehörige Kaltfront greift auf
die westlichen Landesteile über, gefolgt vom Höhentrog, der aber in seinem
Südteil zurückhängt. An der Front sowie präfrontal kommt es zu schauerartig
verstärkten Regenfällen und Gewittern, die sich langsam ostwärts ausbreiten.
Rein von der Synoptik sind dabei auch unwetterartige Entwicklungen möglich, auch
wenn der Tagesgang eher dagegen spricht. Allerdings ist es für Details noch zu
früh und spekuliert wird an der Börse. Fakt ist aber, dass der Osten und Süden -
so sich das derzeit simulierte Timing bewahrheitet - noch weitgehend verschont
bleiben von etwaigen Niederschlagsprozessen und/oder Gewittern. Dafür könnte es
im Südwesten durch beginnendes Schleifen der Front zu größeren, nicht unbedingt
gewittrigen Regenfällen kommen.

Dienstag ... soll sich das Tief laut ICON bis zum Abend auf etwas unter 990 hPa
vertiefen und dabei zum Westrand des Skagerraks ziehen - eine kühne Prognose,
die von anderen Modellen in der Intensität nicht mitgemacht wird. Der Grund für
die recht krasse Vertiefung im Modell ist allerdings plausibel, gerät doch das
Bodentief genau unter die diffluente Vorderseite des zur Nordsee ziehenden
Höhentroges, der allerdings mehr und mehr zu einem Höhentief mutiert.
Wie auch immer und bei aller Modellunsicherheit wird die Kaltfront auf ihrem Weg
nach Osten bzw. Südosten nicht aufzuhalten sein, auch wenn das Tempo noch nicht
endgültig feststeht. Vieles spricht dafür, dass es nicht allzu hoch ist und die
Front in ihrem Südteil ins Schleifen kommt, wodurch es gebietsweise zu
stärkeren, nicht konvektiv geprägten Regenfällen kommen kann. Präfrontal
entwickeln sich im Osten und Südosten Gewitter, deren Intensität in starkem Maße
vom Timing der KF und der davon abhängigen Einstrahlung (je langsamer, desto
mehr) abhängt. Laut MOS-Mix soll die Temperatur im äußersten Osten und Südosten
noch mal auf 30°C oder etwas mehr steigen, was für kräftige Entwicklungen
hinreichend wäre. Im Norden und Westen jedenfalls wird es definitiv nicht mehr
so heiß, strömt doch ein frischer Schwall polarer Meeresluft heran, in der die
Temperatur nicht mehr allzu weit über die 20-Grad-Marke steigt, was gegenüber
dem Vortag einem regelrechten Temperatursturz entspricht. An der Nordsee und in
einigen Mittelgebirgen wird es sogar schwer, mehr als 20°C auf die
Thermometeranzeige zu bekommen. Erwähnenswert ist noch der Wind, der bei
KF-Passage stark böig auffrischt und dahinter auf W bis NW dreht. Ob sich an der
Küste eine Sturmsituation einstellt wie von ICON simuliert, ist derzeit noch
mehr als fraglich.

Mittwoch ... erreicht die Kaltfront die Alpen, wo sie wahrscheinlich noch
längere Zeit verweilt und für Regenfälle sorgt. Ob diese warnwürdig sein werden,
lässt sich noch nicht mit Bestimmtheit sagen, die derzeitige Meinung der Numerik
sagt aber eher "nein". Ansonsten wird Deutschland von polarer Meeresluft
geflutet, in der die 5°C-Isotherme in 850 hPa am Mittag an der Grenze zu Benelux
liegt. Die Spanne der Tageshöchstwerte pendelt sich etwa zwischen 17 und 23°C
ein. Im NW wo die Kaltluft am labilsten ist, entwickeln sich einzelne Schauer,
vielleicht auch ein kurzes Gewitter. An der Küste bleibt es windig.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es bleibt dabei, dass der grobe Trend von Sommer zu Frühherbst von den Modellen
unisono simuliert wird. Der Teufel steckt im Detail, und da gilt es noch einige
Unschärfen, die für die Entwicklung aber essentiell sind, auszumerzen. Zweifel
bestehen vor allem an der kräftigen Tiefentwicklung a la ICON.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann

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