SXDL31 DWAV 1800UTC DWD Synoptische Uebersicht KURZFRIST

SXEU31 DWAV 291800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 29.08.2015 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Ab der Nacht im N und NW teils kräftige Gewitter möglich. Von Montag zu Dienstag
Kaltfrontpassage mit kräftigen Gewittern (Unwettergefahr).

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der NW-Flanke eines ausgeprägten
Höhenhochs über dem nordwestlichen Balkan unter einer antizyklonal konturierten
Höhenströmung. Auch am Boden herrscht Hochdruckeinfluss, wobei der
Vorhersageraum - insbesondere der westliche Teil - immer mehr an den Westrand
der umfangreichen Hochdruckzone gelangt. Ursache ist leichter Druckfall, der
westlich von uns eine Tiefdruckrinne entstehen lässt, die sich in der Nacht ein
Stück weit in den Westen und Nordwesten des Landes "hineinbohrt". Gleichzeitig
macht die zonal über Deutschland liegende Warmfront noch etwas Boden nach Norden
gut, die 15°C-Isotherme in 850 hPa hat in den frühen Morgenstunden bereits die
Mittelgebirgsschwelle überschritten.
Unter dem Strich steht der größte Teil Deutschlands atmosphärisch betrachtet vor
einer ruhigen Nacht, in der sich - nicht so verbreitet wie in der Vornacht -
gebietsweise Nebel bildet. Anfällig für schauerartige Regenfälle und Gewitter
scheint der Nordwesten etwa nördlich des Niederrheins und des Münsterlandes zu
sein, wo man in einigen Prognosetemps ebenso wie auf niederländischer und
belgischer Seite MU-CAPE bis etwas über 400 J/kg findet. Zwar ist die
Höhenströmung immer noch leicht antizyklonal gekrümmt, was aber durch Advektion
zyklonaler Scherungsvorticity (besonders in 300 hPa gut ausgeprägt)
überkompensiert werden könnte. Hinzu kommt die Annäherung besagter
Tiefdruckrinne, so dass es für mögliche Hebungsimpulse durchaus reichen könnte.
Die Folge wären schauerartige Regenfälle und Gewitter, die insbesondere mit
Starkregen einhergehen können. In der Basis sollte es sich dabei um markante
Ereignisse handeln (ocker), doch besonders WRF und EURO4 zeigen in ihren
Simulationen, dass auch die "rote Karte" nicht gänzlich ausgeschlossen ist.

Sonntag ... verändert sich nicht überbordend viel an der großräumigen
Potenzialverteilung. Deutschland verbleibt zwischen dem umfangreichen Höhenhoch
über Süd-Südosteuropa und dem nach SW zurückhängenden, vom Nordmeer bis zum
Seegebiet westlich der Iberischen Halbinsel reichenden Langwellentrog. Die
südwestliche Höhenströmung bleibt leicht antizyklonal gekrümmt, was bei
schwachen Luftdruckgegensätzen für Absinken ergo strahlungsreiches Sommerwetter
sorgt. Und als wüsste der Sommer, dass er per definitionem bald seinen "Hut"
nehmen muss - am Dienstag beginnt der meteorologische Herbst - haut er
temperaturmäßig noch mal richtig einen raus. So steigt die Temperatur verbreitet
auf 30°C oder mehr, in der Mitte und im Süden örtlich um 35°C, eine starke
Wärmebelastung inclusive. Mit dem starken Energieeintrag steigt auch die
Labilität in der Warmluft deutlich an, was sich vor allem bei den ML-CAPE-Werten
widerspiegelt. Diese steigen bis zum Nachmittag vielerorts bis in den
vierstelligen Bereich, allerdings wird die Labilität in den meisten Regionen
nach wie vor "fett" gedeckelt, so dass bei Auslösetemperaturen hoch in den
Dreißigern kaum mit einer Auslöse zu rechnen ist - außer, ja außer mit Hilfe der
Orografie. Sollte sich über den Bergen doch mal ein vereinzeltes Gewitter
bilden, so kann dieses schnell mal in markanten, ja sogar in den "roten" Bereich
rutschen. Bei geringer Strömung und hohem CAPE steht großräumiger Hagel, aber
auch Starkregen (PPWs teils um 30 mm) auf der Karte. Durch Downbursts können
aber auch Sturmböen nicht ausgeschlossen werden (die Grundschicht ist relativ
trocken.)
Die größte "Baustelle" stellt am Sonntag einmal mehr der Norden und Nordwesten
dar. Inzwischen ist die Warmfront bis nahe vor die Küste vorangekommen. Sie
befindet quasi am Nordrand einer flachen Tiefdruckrinne, die man in den
Prognosen nur dann findet, wenn man die Druckverteilung hoch auflöst. Sie
erstreckt sich von Benelux bis nach Norddeutschland und stellt in Verbindung mit
der Front ein "günstiges" Umfeld für mögliche Hebungsprozesse. Dabei wird es
stark darauf ankommen, ob sich an der Front Wellen oder gar ein/zwei flache
Tiefs bilden, die den richtigen "Kick" geben. Unterstützung könnte es weiterhin
von der Advektion zyklonaler Scherungsvorticity geben. Der Treibstoff, also die
Luftmasse, weist ein hohes Maß an Feuchte auf (PPW über 30 mm, spez. Feuchte bis
zu 15 mm), so dass "nur noch" die Überlappung passen muss. Wenn es denn auslöst,
sind neben schauerartigen Regenfällen auch kräftige Gewitter zu erwarten, die
bei hohen Scherungswerten durchaus organisiert sein können. LLS geht teilweise
hoch auf nahe 15 m/s, DLS auf über 30 m/s was ordentliche Hausnummern sind, was
- wenn es denn zu einer fruchtbaren Interaktion mit der Labilität kommen sollte,
die z.B. nach WRF weiter nach Norden vorstoßen soll als nach COSMO-EU - auch im
Hinblick auf mögliche Tornados interessant wäre. Signale seitens der Modelle
jedenfalls sind da, wozu auch ein relativ niedriges HKN von unter 1000 m gehört.

Zusammengefasst: Im Norden und Nordwesten sind am Sonntag kräftige konvektive
Umlagerungen bis in Unwetterbereich möglich, wobei quasi alle gängigen und auch
weniger gängigen ("T-Wort") Begleiterscheinungen möglich aber nicht sicher sind.


In der Nacht zum Montag ändert sich nicht viel an der Gesamtkonstellation. Ein
Großteil der Republik kann sich über eine ruhige, vielfach aber warme und
lüftungstechnisch eher ungünstige Nacht "freuen". Dagegen bleibt der Norden und
Nordwesten "vermintes Gebiet" mit der Möglichkeit weiterer Regenfälle und
Gewitter, evtl. bis in den Unwetterbereich.

Montag ... verkürzt sich die Wellenlänge zwischen dem langsam nach Osten
abwandernden Höhenrücken und dem sich dem Europäischen Kontinent nähernden
LW-Trog, auf dessen Vorderseite der Vorhersageraum zunächst aber noch verbleibt.
Mit Annäherung des Troges fällt der Luftdruck weiter, so dass sich in der Rinne
ein eigenständiges und sich weiter intensivierendes Tief entwickelt, das nach
ICON um 12 UTC mit etwas unter 1010 hPa über der südwestlichen Nordsee, um 24
UTC dann mit unter 1005 hPa bereits über Jütland zu finden ist.
Tagsüber befindet sich Deutschland zunächst noch im breiten Warmsektor des
zugehörigen Frontensystems. Am letzten Tag des meteorologischen Sommers macht
dieser seinem Namen noch mal alle Ehre, scheint doch verbreitet die Sonne, wobei
sich die Luft mit Ausnahme des äußersten Nordwestens und Nordens auf 30°C und
mehr (lokal bis 35°C) erhitzt. Apropros Luft, die ist weiterhin potenziell
instabil geschichtet und zum Teil mit hohem ML-CAPE ausgestattet, allerdings
auch entsprechend gedeckelt, was die Gewitterwahrscheinlichkeit auf Sparflamme
hält, eine vor allem orografisch getriggerte Auslöse aber auch nicht völlig
ausschließt.
Am interessantesten dürfte es tagsüber im W und NW werden. Zwar bleibt die
Kaltfront des Frontensystems zunächst noch außen vor, allerdings formiert sich
die o.e. Tiefdruckrinne immer stärker, was sehr wahrscheinlich zur Ausbildung
einer Konvergenzlinie führt, die zum Mittagstermin etwa entlang der deutschen
Küstenlinie verläuft (siehe Vorhersagekarte T+48h von 12 UTC). Dabei kann es im
Tagesverlauf zu konvektiven Umlagerungen bis hin zu Unwettern kommen, die sich
am Abend und in der Nacht zum Dienstag mit Annäherung respektive Übergreifen der
Kaltfront bzw. der weiteren Progression des Höhentroges ost-südostwärts
ausbreiten. Für Details ist es freilich noch zu früh, nicht zuletzt weil die
Modelle die Entwicklung vom Trend her zwar gleich, in den wichtigen Eckpunkten
(z.B. Timing der KF, Konvergenz ja/nein, Lage und Intensität des Tiefs) aber
noch mit einigen Unschärfen simulieren. Wahrscheinlich ist, dass der Wind in der
Nacht zum Dienstag postfrontal böig auffrischt (7er, vielleicht sogar 8er Böen)
und dabei auf W bis NW dreht.

Dienstag ... soll sich das besagte Tief nach ICON über Nordjütland bzw. dem
Skagerrak auf unter 995 hPa vertiefen, was - wenn es denn so kommt - ein
ordentliches "Pfund" wäre. GFS z.B. sieht dort nur ein 1003-hPa-Randtief,
während das Haupttief zum gleichen Zeitpunkt vor der Rigaer Bucht zu finden ist.
Man sieht, hier besteht prognostisch noch Luft nach oben.
Fakt ist, dass die KF weiter südostwärts vorankommt, dort aber möglicherweise
ins Schleifen gerät, weil der Höhentrog nicht mitmarschiert, so dass die
Höhenströmung auf SW bleibt. Auf alle Fälle muss im Süden und Osten mit
schauerartigen Regenfällen und teils kräftigen Gewittern bis in den
Unwetterbereich gerechnet werden. Postfrontal strömt ein Schwall erwärmter
Meereskaltluft polaren Ursprungs in den Vorhersageraum, in der die 5°C-Isotherme
im Tagesverlauf den äußersten W und NW ankratzt. Je nach Position des Tiefs
frischt der westliche Wind mitunter böig auf. Nach Lesart der deutschen
Modellkette ist an der Küste sogar eine Sturmlage mit Böen bis Stärke 10 Bft
denkbar.


Modellvergleich und -einschätzung
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Der Trend erscheint klar, die Details noch nicht, was im Text mehrfach
angesprochen wurde. In Bezug auf die kommende Nacht geht der Blick stromab in
Richtung Ärmelkanal plus Umgebung, wo sich aktuell ein Regenband befindet, am
Südrand vor der französischen Küste aber auch erste Gewitter entstanden sind.
Diese gilt es weiter zu beobachten, ebenso auf potenzielle Neubildungen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann

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