SXDL31 DWAV 0800UTC DWD Synoptische Uebersicht KURZFRIST

SXEU31 DWAV 260800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 26.06.2015 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: schwierig, aber am ehesten vielleicht Wa (West antizyklonal)

Heute insgesamt ruhiges Wetter mit geringer Gewitterneigung im äußersten O/NO.
Im Laufe der kommenden Nacht von Westen teils kräftige Gewitter, vor allem mit
Starkregen, lokale Unwetter möglich. Am Samstag verbreitet Schauer und Gewitter,
dabei ebenfalls örtliche Unwetter möglich. Am Sonntag nach Osten abziehende
Schauer und Gewitter und nachfolgend Zwischenhocheinfluss.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Freitag... früh befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines von
SW-Europa bis zur Nordsee reichenden Höhenrückens, der im Tagesverlauf unter
leichter Abflachung ostwärts wandert und am Abend den gesamten Vorhersageraum
überdeckt. Zuvor wird der Nordosten und Osten aber noch von einem Höhentrog über
Schweden und dem Ostseeraum tangiert, der dort für eine leicht zyklonal
konturierte Höhenströmung sorgt. Zwar ist die dort lagernde, gealterte
Meeresluft nicht exorbitant labil, für etwas CAPE bis etwa 150 J/kg reicht es
laut COSMO-EU aber. Die Folge sind einzelne Schauer und - wenn es dumm läuft -
vielleicht auch ein kurzes ("gelbes") Gewitter an der deutsch-polnischen Grenze.

Ansonsten ist die Geschichte des heutigen Freitag relativ kurz erzählt. Bei
schwachen Luftdruckgegensätzen mit einem kleinen Hochschwerpunkt über den Alpen
(etwas über 1020 hPa) kann sich die Luftmasse bei uns weiter erwärmen. Vor allem
im Süden und Südwesten, aber auch in Teilen Westdeutschlands, wo die
Sonnenanteile am größten sind, geht es hoch mit der Temperatur auf 24 bis 29°C,
am Oberrhein lokal vielleicht auf 30°C. In den übrigen Landesteilen ziehen
insgesamt mehr Wolken durch (mit Lücken), trotzdem erwärmt sich die Luft auch
dort auf 20 bis 24°C, nur an der See bleibt es teilweise etwas kühler.

Am Abend, vor allem aber in der Nacht zum Samstag gewinnt die Wetterlage dann
allmählich an Brisanz. Der Höhenrücken wandert weiter nach Osten, so dass wir
von Westen her auf die diffluente Vorderseite der über dem mittleren
Nordatlantik verlaufenden Frontalzone gelangen. Darin eingelagert ist eine
kurzwelliger, besonders in 300 hPa recht klar strukturierter Kurzwellentrog, der
im Laufe der Nacht von NO-Frankreich, Luxemburg und Belgien her auf den Westen
übergreift, im weiteren Verlauf aber nur schleppend ost-südostwärts vorankommt.
Der Frontalzone vorgeschaltet ist das Frontensystem eines Zentraltiefs
südwestlich Islands, das im Bereich der Doggerbank am Okklusionspunkt aber ein
Teiltief ausbildet. Die Warmfront passiert den äußersten Norden, die
nachfolgende Kaltfront bleibt zunächst noch außen vor.
Wie auch immer, Fakt ist, dass der Trog offensichtlich hervorragend mit der
inzwischen deutlich an Labilität gewonnenen Luftmasse im Warmsektor interagiert,
so zumindest die Lesart der meisten Modelle. KO-Index und lapse-rates nehmen ab,
niederschlagbares Wasser PPW (auf über 30 mm) und CAPE nehmen zu. Zwar bleiben
die CAPE-Werte nicht zuletzt wegen der "ungünstigen" Tageszeit vergleichsweise
limitiert (C-EU nur etwa bis 200 J/kg, WRF etwas darüber) und es deutet sich
auch ein gewisser Deckel an (CIN), trotzdem dürfte der dynamische Hebungsimpuls
ausreichen, nennenswerte konvektive Prozesse anzustoßen, zumal auch noch
Unterstützung von einer vor der Kaltfront sich etablierenden Konvergenzlinie zu
erwarten ist. Bei guten Low-Level- und moderaten Deep-Layer-Scherungswerten kann
sogar von organisierten Strukturen ausgegangen werden. Besonders die
Richtungsscherung ist gut ausgeprägt mit O-SO unten vs. SW-W oben, worauf hin
auch die SRH-Werte mit einigen Peaks aufwarten. Kurzum, es ist sehr gut möglich,
dass sich die schauerartigen Regenfälle und Gewitter zu einem MCS mit
eingelagerten Bow-Echos organisieren, die von Westen langsam über die Mitte
ostwärts ziehen. Die Hauptgefahr geht dabei von Starkregen aus, wobei vielleicht
sogar das 6-stündige Kriterium stärker als das 1-stündige in den Blickpunkt
rückt. Auch wenn sich die numerischen RR-Prognosen in Grenzen halten, sind
Unwetter nicht ausgeschlossen. Etwaiger Hagel sollte eher kleinkörnig bleiben,
stürmische Böen oder auch Sturmböen sind aufgrund der Organisation, weniger
wegen der eher moderaten Höhenwinde (in 850 hPa max. um 25 Kt) möglich.
Im Süden bleibt es ebenso wie im Osten weitgehend trocken, im Norden regnet es
gebietsweise, aber eher stratiform in Verbindung mit der Warmfront.


Samstag... tut sich besagter Trog - wir befinden uns weiterhin in 300 hPa -
äußerst schwer, weiter nach Osten voranzukommen. Ursache ist die blockierende
Wirkung eines langwelligen Trogkomplexes über Südosteuropa. Folglich verbleibt
der Trog längere Zeit über dem Vorhersageraum liegen, wobei er seine Amplitude
aber stetig vergrößert. Um 18 UTC jedenfalls reicht seine Achse etwa von der
Deutschen Bucht über die Mitte bis zum Allgäu.
Etwas progressiver als der Trog zeigt sich das Frontensystem, auch wenn sich das
steuernde Zentraltief nur wenig vom Fleck bewegt. Dafür zieht das Teiltief über
die Nordsee südostwärts, wodurch die Kaltfront etwa in den Morgenstunden den W
und NW erreicht, um im weiteren Verlauf langsam (aufgrund der Trogausweitung
nach Süden) und im Süden zurückhängend ostwärts zu schwenken. Wo genau die KF
positioniert sein wird, ist aus heutiger Sicht noch unscharf, weil die
Baroklinität respektive die Gradienten verschiedener thermischer Parameter nicht
besonders gut ausgeprägt sind. Es mag durchaus sein, dass die KF zum
12-UTC-Termin etwas weiter westlich liegt als in der offiziellen Prognosekarte
(TKB 00UTC+36h) angegeben.
Wie auch immer, zunächst mal ziehen der MCS aus der Nacht bzw. die Reste davon
in den Morgenstunden und am Vormittag langsam nach Osten ab. Dabei besteht
weiterhin vor allem die Gefahr von Starkregen, allerdings dürften Details - auch
hinsichtlich der genauen räumlichen Zuordnung - wohl nur kurzfristig bestimmbar
sein. Ansonsten wird die präfrontale Luftmasse weiter labilisiert mit
Schwerpunkt Süddeutschland, wo am Nachmittag und Abend CAPE-Werte bis 1500 J/kg,
vereinzelt sogar etwas darüber apostrophiert werden. Auslösende Momente für
konvektive Umlagerungen liegen reichlich vor, denn neben dem Trog und der sich
nähernden Kaltfront kommt auch noch die diabatische Komponente ins Spiel. So
liegen die Auslösetemperaturen am Nachmittag um oder etwas über realistisch
erreichbaren 20°C, auch wenn z.T. recht viel Bewölkung vorliegt, was durchaus
einen dämpfenden Effekt zumindest auf ganz schwere Gewitter haben könnte. Am
längsten verschont von Gewittern dürfte der Nordosten und Südostbayern bleiben,
und auch im Westen und Nordwesten setzt spätestens zum Nachmittag eine
Stabilisierung durch die postfrontal einfließende, mäßig warme Meeresluft ein.
Zurück noch mal zu den Gewittern. Diese können einmal mehr kräftig ausfallen,
vornehmlich durch Starkregen (PPWs vor allem in der Osthälfte über 30 mm) und
Hagel, weniger durch Sturm (weiterhin überschaubare Höhenströmung, abnehmende
Scherung). Es besteht zumindest örtliche Unwettergefahr. Unabhängig von den
Gewittern kann der zunächst aus SW kommende, später auf W bis NW drehende Wind
besonders im Süden mitunter böig auffrischen mit Spitzen bis 7 Bft, in höheren
Lagen auch etwas darüber.
Die Temperatur steigt mit Ausnahme einiger Küstenabschnitte auf 20 bis 25°C, im
Südwesten und in Südostbayern auch etwas darüber.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt der Trog unter weiterer Amplifizierung ganz
langsam ostwärts, Gleiches gilt für die Kaltfront. Entsprechend verlagert sich
das konvektive Geschehen in den Osten und Südosten sowie an den Alpenrand. Wie
lange sich die Gewitter mit welcher Intensität halten, ist freilich noch offen
und kann wohl erst in situ beantwortet werden.
Nach Westen zu steigt der Luftdruck im Vorfeld eines sich nähernden Höhenrückens
an, was sich in Form eines Azorenhochkeils bemerkbar macht.

Sonntag... erreicht besagter Höhenrücken den Vorhersageraum und drängt den Trog
in Richtung östliches Mitteleuropa ab. Im Bodenniveau etabliert sich bei uns
eine eigenständige Hochzelle von etwas über 1020 hPa, die sich aber am Abend und
in der Nacht zum Montag bereits wieder ost-südostwärts verabschiedet.
Immerhin sorgt sie bei uns für eine ruhigen und verbreitet trockenen, vielfach
sogar sonnigen oder zumindest heiter bis wolkigen Wettercharakter. Im äußersten
Osten und Südosten sind besonders am Vormittag noch einzelne Schauer oder
Gewitter möglich, bevor es auch dort zunehmend stabilisiert. Am Nachmittag und
Abend tauchen im W und NW hohe, vielleicht auch schon einige mittelhohe
Wolkenfelder auf, die der Warmfront eines neuerlichen Frontensystems geschuldet
sind. Regnen wird es bis zum Abend aber sehr wahrscheinlich nicht. Die
Temperatur erreicht Höchstwerte um 20°C im äußersten Norden und bis zu 27°C im
Südwesten.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die Modelle simulieren im Großen und Ganzen einen ähnlichen Ablauf wie oben
beschrieben. Gleichwohl bleiben noch einige Fragezeichen im Raum stehen. Zum
einen wird die Regionalisierung der Gewitter in der kommenden Nacht noch leicht
unterschiedlich gesehen, es kristallisiert sich aber ein Gebiet RP, NRW, Hessen,
partiell noch südliches Niedersachsen heraus. In diesem Zusammenhang sei
erwähnt, dass EXTOFEX sogar ein Level 1 für Westdeutschland mit der Gefahr
isolierter Tornados herausgegeben hat - sofern die Gewitter nicht allzu
abgehoben von der Grundschicht auftreten.
Am Samstag ist eine der Kernfragen, welche Position die Kaltfront einnimmt und
in welcher Form (vor allem auch räumlich gesehen) sie und die zunehmend labile
präfrontale Luftmasse mit dem Tagesgang interagieren. Tatsache ist, dass das
Areal schauerartiger Regenfälle und Gewitter ziemlich groß ist, was für eine
langsame Verlagerung spricht. Zwar suggerieren die Modelle nicht zwingend eine
großräumige Unwetterlage, gleichwohl darf man sicher sein, dass am Samstag trotz
Bundesligapause die eine oder andere "rote Karte" gezogen werden muss, weshalb
der Münchener Kollege in der Frühkonferenz von einer "maskierten Unwetterlage"
sprach - vielen Dank für diese kreative Wortschöpfung.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann

Beliebte Posts aus diesem Blog

SXDL31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST

DWD -> Amtliche Warnung vor markantem Wetter - STARKES GEWITTER (-Esslingen-)