SXDL31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST

SXEU31 DWAV 261800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 26.05.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nix, erst ab Sonntag von NW her zunehmende Gewitterneigung.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland am Ostrand eines veritablen Höhenrückens, der in
der Nacht leicht nach Osten tendiert und sich dabei immer mehr über den
Vorhersageraum legt. Das korrespondierende Bodenhoch - derzeit noch mit seinem
Schwerpunkt über der Nordsee gelegen - verlagert sich ebenfalls ostwärts bis
nach Nordwestpolen. Die Konsequenz: der anfangs im N und O noch aus
nordwestlichen bis nördlichen Richtungen kommende (schwache) Wind dreht deutlich
nach rechts in den Sektor Ost bis Süd. Damit steht die tiefe Stratusbewölkung,
die derzeit noch die gesamte Deutsche Bucht anfüllt, vor dem Aus. Unter
beginnender Auflösung entfernt sich die Bewölkung von der Küste, so dass auch
auf den Inseln wie zuvor schon auf dem Festland zunehmend die Sterne zu sehen
sein werden. Trotzdem, unabhängig vom Nordseestratus (und vielleicht
anfänglichem Seenebel; siehe aktuellen Sichtrückgang) können sich im Norden und
Nordosten ein paar Nebelfelder bilden, in denen die Sichtweite hier und da auch
mal unter 150 m sinken kann.

Samstag ... verbleibt Deutschland unter dem "Schutzschirm" des von NW-Afrika bis
nach Nordeuropa reichenden Höhenrückens, was uns deutschlandweit einen
sonnenscheinreichen, (hoch)sommerlichen Samstag im Spätfrühling beschert. Dabei
legt die Temperatur gegenüber heute noch ein paar Kohlen auf, was zum Teil
absinkbedingt, teils aber auch advektiv begründet ist. Schließlich gelangen wir
auf die warme Seite des Bodenhochs, das seinen Platz über dem östlichen
Mitteleuropa findet. Die 850-hPa-Temperatur steigt bis zum Abend auf rund 11°C
an der Grenze zu Polen und bis zu 16°C an der Grenze zu Frankreich. Entsprechend
schlägt das Thermometer in 2 m Höhe ordentlich nach oben aus auf verbreitet 26
bis 32°C, wobei es im W und SW am heißesten wird. Dort sind punktuell sogar 33°C
drin, was den Kohl aber auch nicht wirklich fetter macht und eher was für
Statistiker ist. Selbst an den Küsten geht es deutlich nach oben mit der
Temperatur (auch wenn es nicht überall für 26°C reicht), weil der mitunter
leicht böig auflebende O-SO Wind an den meisten Stränden für eine ablandige und
somit warme Strömungskomponente sorgt.

In der Nacht zum Sonntag tut sich nicht viel an der genannten Konstellation,
sieht man mal davon ab, dass es naturgemäß dunkler und auch kühler wird. In den
meisten Regionen ist die Luft noch so trocken, dass es auch wirklich abkühlt auf
15 bis 10°C, im O und S gebietsweise sogar bis in den einstelligen Bereich.
Wärmer bleibt die Nacht dort, wo es tagsüber am heißesten war und wo die Luft
allmählich beginnt, feuchter zu werden - im W und NW. Dort liegen die
Tiefstwerte bei 15 bis 18°C, in einigen größeren Innenstädten sogar etwas
darüber.
Wettertechnisch bleibt es im größten Teil des Landes, vielleicht sogar überall
ruhig und trocken. Ein kleines Fragezeichen steht hinter dem äußersten W und NW,
die mehr und mehr auf die Vorderseite einer schleifenden, sich vom Ärmelkanal
und der südwestlichen Nordsee langsam landeinwärts bewegenden Kaltfront
gelangen. Dabei werden bei unseren westlichen Nachbarn wahrscheinlich schon
tagsüber konvektive Umlagerungen ausgelöst, die sich bis in die Nacht halten
bzw. regenerieren und mit der südwestlichen Höhenströmung nordostwärts gesteuert
werden. Ob bis zum frühen Morgen davon auch schon das Bundesgebiet traktiert
wird, steht noch offen. Die Modelle, einige zumindest, üben sich in zaghaften
Andeutungen, belassen die Hauptaktivität aber weiter westlich (auch wenn der
neueste Lauf von ICON 12 UTC einen Satz nach Osten gemacht hat und Signale
insbesondere für das westliche und nördliche Niedersachsen liefern). Gleichwohl
lehrt uns die Erfahrung, dass die Numerik nicht immer Recht hat (wäre ja auch zu
schön, obwohl, wäre auch nicht so gut wegen Arbeitsplatzgarantie usw.). Außerdem
scheren Gewitter gerne mal nach rechts aus in die Achse der niedertroposphärisch
wärmsten Luft. Feucht und labil genug ist die Luftmasse jedenfalls, und etwas
MU-CAPE ist auch vorhanden. We will see...

Sonntag ... verdichten sich die Hinweise, dass das gesamte Hochdruckkonstrukt
eine Delle bekommt, und zwar im NW unseres Landes. So kippt der Höhenrücken
etwas nach Südosten, wodurch er in seinem Nordteil und somit auch über
Norddeutschland zunehmend abflacht. Damit wird er anfällig für kurzwellige
Troganteile, die den Rücken im Norden umlaufen und dabei evtl. einen Beitrag zu
etwaigen Hebungsprozessen leisten bzw. die Dämpfung konvektiver Umlagerungen
mindern können. Das Problem aus heutiger Sicht: die Tröge nicht auffällig und
nur schwer detektierbar, außerdem simuliert jedes Modell die Anordnung etwas
anders.
Deswegen rücken wir mit unseren Augen mal ein paar Stockwerke tiefer in der
Troposphäre. Dort fällt auf, dass eigentlich alle Modelle (zumindest die, die
man sich für gewöhnlich so anschaut), die schleifende Kaltfront nach
NW-Deutschland eindringen lassen und zudem eine von Frankreich und Benelux sich
nordostwärts erstreckende Tiefdruckrinne etablieren, in der die bodennahe
Strömung im Tagesverlauf - präfrontal! - zunehmend konfluent angeordnet ist
(W-NW vs. SW). Die Frage wird nun sein, ob diese Mechanismen ausreichen,
nennenswerte Konvektion in Gang zu bringen und wenn ja, wo genau das passieren
wird. Die Luftmasse auf der warmen Seite der Front jedenfalls bringt
größtenteils die Voraussetzungen für kräftige Gewitter mit. So wird im NW z.B.
eine deutliche Feuchteflusskonvergenz simuliert, in der die PPW-Werte bis zum
Nachmittag auf 35 bis 40 mm, lokal sogar noch etwas darüber ansteigen. Labilität
ist auch ausreichend vorhanden, was in Verbindung mit der Feuchtezunahme einen
Anstieg des ML-CAPEs auf gebietsweise über 1000 J/kg (teils bis 1500 J/kg)
bedingt, das z.T. jedenfalls aber einer gewissen Deckelung unterliegt (CIN).
Noch nicht ganz so klar ist, was mit der Scherung passiert. ICON hält sich sehr
zurück, während GFS etwas offensiver agiert. Allerdings treten die höchsten
Werte im Frontbereich auf und nicht davor, was natürlich für die Bildung
organisierter Konvektion von essenzieller Bedeutung ist.
Wie auch immer und bei aller gegebenen Unsicherheit kristallisiert sich aus
heutiger Sicht ein Korridor heraus, der grob gesprochen von NRW und dem
westlichen Niedersachsen bis nach MV/nördliches BB reicht und in dem es im Laufe
des Sonntags substanzielle konvektive Umlagerungen wahrscheinlich sind - sei es,
dass diese vor Ort entstehen und ost-nordostwärts ziehen oder von
Belgien/Niederlande advehiert werden. Ganz oben auf der Agenda potenzieller
Begleiterscheinungen stehen Starkregen (teils durch wiederholtes Auftreffen von
Gewitterzellen) und Hagel (2-3 cm oder auch Hagelansammlungen), wobei auch
Unwetter möglich sind. Sturmböen sind aufgrund der limitieren
(Höhen)Strömungsverhältnisse zwar weniger wahrscheinlich, aber auch nicht
kategorisch zu negieren, wenn es doch mal etwas organisierter zur Sache gehen
sollte.
Bevor der Konjunktiv nun aber gänzlich in einer Endlosschleife verschwindet, was
schade wäre, da wir Meteorologen ihn auch zukünftig noch brauchen werden hier
noch ein paar Fakten zum Sonntag. Große Teile des Bundesgebietes werden nämlich
einen sonnigen und sehr warmen bis heißen Tag erleben, an dem die Temperatur auf
27 bis 34°C steigt (am heißesten wahrscheinlich der Oberrheingraben sowie
Saar/Nahe/Mosel-Area). Ob es dabei lokal über dem Schwarzwald und an den Alpen
zu "nahrhaften", also niederschlagsbringenden Überentwicklungen reicht, ist
nicht sicher. Sicherer hingegen die Aussage, dass es in weiten Teilen N- und
NW-Deutschlands nicht für 30°C reichen wird, ja je nach Frontenlage und
Bewölkung sogar 25°C eine nicht zu erreichende Marke darstellt (nördliches NDS,
Teile von SH).

In der Nacht zum Montag regeneriert sich der Rücken von Westen etwas, wodurch
die Höhenströmung auf W bis NW dreht. Die Front kommt etwas nach Süden voran,
nimmt dabei eine zunehmend zonale Exposition an und bleibt dann irgendwo über
Norddeutschland liegen, weil sich zwischen Irland und England ein neues Tief
formiert, das zum Bremsklotz für die Luftmassengrenze wird (Übergang von
Kaltfront in Warmfront).
Die konvektiven Prozesse schwächen sich tagesgangbedingt zwar ab, werden wohl
aber nicht gänzlich zum Erliegen kommen. Nach ICON kommt es vor allem im Osten
sowie in der östlichen Mitte noch zu Gewittern, während GFS bei seiner
diagonalen Ausrichtung von NRW und RP bis in den Nordosten bleibt. Hier sind
also noch einige Fragen offen, die heute noch nicht zu beantworten sind.
Nach S und SO hin herrscht jedenfalls noch Ruhe im Karton, und auch im NW
stabilisiert es zunehmend. Die Temperatur geht auf 18 bis 11°C, im S und O
Bayerns teils auf Werte um 9°C zurück, was die Trockenheit der eigentlich warmen
Luftmasse in dieser Region unterstreicht.

Montag ... setzt sich die Regenration des Rückens fort, wodurch dieser scheinbar
retrograd wird. Am Mittag jedenfalls liegt er wieder mitten über Deutschland.
Bei flacher Druckverteilung findet man über der Mitte Reste der Tiefdruckrinne
bzw. der konfluenten Bodenwinde, während die Front als Warmfront allmählich
Boden nach Norden gutmacht. Westlich von uns lässt leichter Druckfall ein
kleines Mesotief entstehen, das gegen Abend auf Westdeutschland übergreift - mit
welcher Wirkung, ist noch zu klären (aber nicht heute).
Zuvor jedenfalls simulieren die Modelle mögliche Konvektion äußerst
zurückhaltend, was u.a. an der stark antizyklonal konturierten Höhenströmung
liegen dürfte. ICON rechnet vom Münsterland bis nach Sachsen gebietsweise hohe
ML-CAPE-Werte von 1500 bis 2000 J/kg (lokal noch etwas mehr), dazu ausreichend
Labilität (siehe LapseRates) und vertikale Feuchte (PPW über 30 mm, spez. F. bis
12 g/kg), was eigentlich gute Vorsausetzungen für Schwergewitter sind. Trotzdem
gibt sich die Numerik recht passiv, was für fehlende Zündmechanismen spricht -
trotz durchaus vorhandener Bodenkonvergenz. Von daher bleibt abzuwarten, wie
genau die Entwicklung läuft; über dem Bergland sollte es aber allemal für
Starkgewitter (Starkregen, Hagel) evtl. bis in den Unwetterbereich reichen.
Abseits davon scheint verbreitet die Sonne bei 26 bis 33°C, im Norden darunter.



Modellvergleich und -einschätzung
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Wie so oft wird die grundlegende Entwicklung in den Basisfeldern sehr ähnlich
simuliert. Auffallend bei ICON ist die Tatsache, dass der 12-UTC-Lauf die
potenzielle Gewitterzone am Sonntag weiter nach Süden verschiebt als in den
Vorläufen und auch einen um den Rücken herumlaufenden KW-Trog stärker betont.
Gleichwohl bleiben weiterhin Fragen offen, die vielleicht sogar am Sonntagmorgen
noch nicht zufriedenstellen beantwortet werden können.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann

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