SXDL31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST

SXEU31 DWAV 280800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 28.05.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: durchaus noch HM (Hoch Mitteleuropa), auch wenn sich das im Bodendruckfeld
nicht so eindeutig widerspiegelt.

Heute vor allem im W, später nordostwärts ausgreifend Gewitter, teils Unwetter
durch Starkregen und/oder Hagel.
Morgen ebenfalls einzelne Gewitter, vor allem in den mittleren und westlichen
Landesteilen und dort bevorzugt über dem Bergland. Weiterhin lokale
Unwettergefahr.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... befindet sich Deutschland unterhalb eines Höhenrückens, der in seinem
Nordteil von einem KW-Trog umlaufen wird. Heute früh 06 UTC befand sich dieser
Trog über der Nordsee mit leichter Eindellung bis nach Benelux und
NW-Deutschland. Im weiteren Tagesverlauf schwenkt er gen Ostsee bzw.
Südschweden. Dahinter steigt das Potenzial wieder an, wodurch der Rücken
regeneriert und scheinbar retrograd wird. Im Großen und Ganzen bleibt die
Höhenströmung über dem Vorhersageraum vergleichsweise antizyklonal geprägt, so
dass wir uns auf der Suche nach konvektionsfördernden Mechanismen etwas weiter
nach unten in der Troposphäre orientieren müssen.
Da wäre zunächst mal ein Bodentief zu nennen, das von der nördlichen Nordsee in
Richtung Norwegen zieht. Die zugehörige Kaltfront ist gerade dabei (06 UTC), von
den Niederlanden her den NW unseres Landes zu erreichen. Sie kommt bis zum Abend
noch etwas südostwärts voran, wird später nach Westen hin aber ausgebremst, weil
der Druck über England und Westfrankreich fällt und die Kaltfront in die
Warmfront dieser Tiefdruckzone übergeht. Dahinter gelangt ein Schwall kühlerer
und stabilerer Luft von der Nordsee in den äußersten NW. Der Front vorgelagert
ist eine im Bodenwindfeld mäßig ausgeprägte Konvergenz, an der sich trotz
geringer Scherung bei unseren westlichen Nachbarn eine Gewitterlinie gebildet
hat, die mittlerweile Teile des W und NW hinter sich gelassen hat. Die
Remote-Sensing-Strukturen sowie die numerischen Erkennungsverfahren zeigten
bisher überwiegend Signale unterhalb der Unwetterschwelle, auch wenn es im Radar
in der Vertikalen immer mal wieder blau "aufpoppt". Die Linie wird in den
nächsten Stunden ost-nordostwärts weiterziehen und dabei in die vormittägliche
Depression hineinlaufen, sprich, sich zunehmend abschwächen, was aktuell auch
schon gut zu beobachten ist.
Interessanter wird es wahrscheinlich weiter südlich, etwa im Grenzbereich zu
Südbelgien und Luxemburg, wo sich bereits jetzt erste konvektive Aktivitäten
zeigen, die im Tagesverlauf aber noch zunehmen dürften. Fakt ist, dass sich von
RP und dem südlichen RP ein bis etwa nach MV reichender Streifen erstreckt, in
dem die subtropische Luftmasse nicht nur labil bzw. potenziell instabil
geschichtet ist (das ist sie weiter südlich auch), sondern auch ein Feuchte- und
ML-CAPE-Maximum aufweist (PPW um oder über 35 mm; CAPE bis 1500 J/kg, lokal
darüber). Dass einige Modelle trotzdem eher verhalten an die Auslöse von
Gewittern herangehen, liegt neben der eher antizyklonal gekrümmten Höhenströmung
an der - möglicherweise - fehlenden konfluenten Windstruktur, die sich aber noch
ausbilden kann. Dafür könnten Orografie und das Erreichen der Auslösetemperatur
helfen, wenn es denn vorher noch mal richtig einstrahlt, was auf Basis aktueller
Beobachtungen sehr gut möglich ist. Wie so oft bei sommerlichen Gewitterlagen
lässt sich im Vorfeld reichlich diskutieren, wie es wohl kommen könnte, was uns
letztlich auf bewährte Handarbeit im Nowcasting bringt. Gut vorstellbar ist aber
tatsächlich ein Szenario, wonach es in einem von RP/NRW über Teile Hessens und
Niedersachsens und Sachsen-Anhalts bis nach MV/nördliches BB verlaufenden
Korridor zu markanten, lokal auch unwetterartigen Gewittern mit Starkregen und
Hagel, weniger (aber nicht ausgeschlossen) mit Sturmböen kommt. Die
Unwettergefahr scheint dabei im Westen am höchsten, weil sich dort
möglicherweise mehrere Einzelzellen zu einem Cluster verkleben, allerdings
sollte man mit derartigen Einschätzungen vorsichtig sein. Auf alle Fälle sind
die Scherungswerte gering, was gegen langlebige Superzellen spricht.
Nach Süden und Südosten sowie zur östlichen Mitte hin sorgt Hochdruckeinfluss
für einen hochsommerlichen Sonntag mit viel Sonne und subtropischen Temperaturen
von 28 bis 33°C, am Oberrhein punktuell vielleicht auch noch ein Grad mehr. Ob
es dabei über dem Schwarzwald und der Alb zu Überentwicklungen in Form
vereinzelter Gewitter kommt, ist fraglich, aber nicht ausgeschlossen. Der
Deckel, den es dabei zu überwinden gilt, sitzt jedenfalls ziemlich fest.

In der Nacht zum Montag kommt es zunächst noch zu einigen Gewittern, allerdings
sorgen der Tagesgang und der sich weiter stärkende Rücken für
Abschwächungstendenzen. Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass die
Nachtdienste bis in die zweite Nachthälfte hinein warntechnisch zu tun haben
werden.

Montag... hat sich der Höhenrücken wieder soweit formiert, dass er den gesamten
Vorhersageraum überdeckt und die Strömung komplett antizyklonal konturiert ist.
Über UK formiert sich ein eigenständiges Bodentief, auf dessen Vorderseite die
bei uns positionierte Front wieder nach Norden geschoben wird und bis zum Abend
nahezu das gesamte Land unter eine 15°C-Warmluftblase in 850 hPa gelangt. Damit
sind sowohl thermisch als auch strahlungsbedingt die Voraussetzungen für einen
hochsommerlichen Wochenstart im Spätfrühling gegeben. Satte 29 bis 35°C stehen
auf der Karte, einzig im Norden und dort vor allem in Richtung Küste kann man
sich über angenehmere (hier kommt die Meinung des Verfassers durch) Temperaturen
freuen.
Die Gretchenfrage des morgigen Tages, die sich aber auch schon heute stellt: was
machen die Gewitter? Glaubt man der Numerik, so steht uns konvektionsmäßig ein
eher verhaltener Montag bevor, was zu einem Großteil dem überlagerten
Höhenrücken zuzuschreiben sein dürfte. Allerdings, und das haben vergleichbare
Wetterlagen aus der Vergangenheit gezeigt, reicht das in aller Regel nicht aus,
um die Konvektion gänzlich aus dem Spiel zu nehmen (was von den Modellen aber
auch nicht gezeigt wird). Das Problem ist nur, wo und wodurch kommt es zur
Auslöse. Von der Luftmasse (Feuchte, CAPE) her bietet sich ein Streifen an, der
vom nördlichen NRW bzw. dem südwestlichen NDS über den nördlichen
Mittelgebirgsraum bis nach Sachsen und Nordbayern reicht (PPW erneut 35 bis 40
mm, MU-CAPE bis 2000 J/kg, im Harz sogar noch höher). Auch das südwestliche
Bergland, allen voran der Schwarzwald, scheint prädestiniert. Was neben
Antrieben aus der Höhe fehlt sind klare konfluente Strukturen im eher amorph
daherkommenden Bodenströmungsfeld. Dafür gibt es die Orografie als verlässliche
Konstante, und auch diabatisch könnte an der einen oder anderen Stelle was
gehen. Und wenn was geht, geht es wahrscheinlich auch gleich richtig zur Sache,
weil die Energie in wenige Zellen und nicht in einen breiten Teppich gesteckt
wird. Zwar bleibt die Scherung gering, was organisierte und langlebige Zellen
unwahrscheinlich macht, trotzdem können in strömungsschwachen Umfeld starker
Platzregen fallen und Hagel entstehen (beides bis in den Unwetterbereich). Zwar
sollte man mit Aussagen hinsichtlich der räumlichen Verteilung von Gewittern
vorsichtig sein, vor allem wenn klare Strukturen fehlen, trotzdem deuten sich
ein paar Areale an, in denen wahrscheinlich nichts oder nur ganz wenig passiert.
Das sind zum einen der äußerste N und NO (etwa von Ostfriesland über HH und SH
bis MV bzw. das nördliche BB), wo jegliches CAPE fehlt, und zum anderen Teile
Bayerns (außer im N), wo die Vorderseite der Keilachse greift. Auffallend auch
ein Einschub minimaler Feuchte sowie ein CAPE-Minimum, das vom Saarland über RP
bis ins südliche NRW reicht, wo ebenfalls nichts passieren soll. Hier tut sich
der Verfasser aber schwer, eine vernünftige Begründung für diesen Einschub zu
liefern.

Am Abend und in der Nacht zum Dienstag nähert sich von Westen her eine neue
Kaltfront nebst vorlaufender Konvergenz. Dabei soll sich über Norddeutschland
ein kleines Mesotief bilden. Zudem rückt der Höhenrücken ganz allmählich nach
Osten, wodurch der W und N zunehmend auf die Rückseite der Keilachse gelangen.
Dort ist trotz "ungünstiger" Tageszeit mit konvektiven Umlagerungen in Form von
Schauern und Gewittern zu rechnen, die sich bis zum Morgen bis in die mittleren
Landesteile vorarbeiten können.

Dienstag... Der Höhenrücken kippt nach O bzw. SO, wodurch wir mehr und mehr auf
die Vorderseite eines recht unstrukturierten Troges über Westeuropa gelangen.
Die wellende Kaltfront des von der Nordsee nach Südnorwegen ziehenden flachen
Tiefs kommt langsam ost-südostwärts vorn, was auch für die vorlaufende
Konvergenz gilt. Rückseitig gelangt ein Schwall kühlerer und vor allem stabil
geschichteter Nordseeluft in den Nordwesten, in der keine 25°C mehr erreicht
werden.
Präfrontal wird es in der gealterten Subtropikluft noch mal sehr warm bis heiß
(26-30°C, im Osten bis zu 32°C) und es entstehen vielerorts teils kräftige
Gewitter bis in den Unwetterbereich. Ob es mehr die Popcorn-Version ist oder
auch organisierte Strukturen auftreten (die Scherung nimmt etwas zu), ist noch
nicht ganz klar. Mit Abzug des Rückens jedenfalls wird der konvektive Knoten
etwas gelöst, so dass die Gewitter wahrscheinlich häufiger und auch breiter
gestreut als am Montag auftreten dürften.

Modellvergleich und -einschätzung
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Wie eigentlich immer bei konvektiven Lagen liefern die zahlreichen Modelle und
deren Anschlussverfahren mal mehr, mal weniger Hinweise auf teils kräftige
Gewitter. Die Kernfrage bei dieser Lage lautet: wie stark sind die
Zündmechanismen vor dem Hintergrund des überlagerten Höhenrückens (vor allem am
Montag). Die Luftmasse liefert in den entsprechenden Arealen allemal die
Voraussetzungen. Von daher läuft auch dieses Mal Vieles wieder auf das
klassische Nowcasting hinaus, auch wenn versucht wird, die gewittergefährdetsten
Gebiete herauszuarbeiten. Dabei muss auch bedacht werden, dass die heutige
Entwicklung einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Geschehen von morgen
ausübt (Eintrag von Feuchte in den unteren Schichten, Bewölkungsverteilung
usw.).
Aufgrund des nun im NW geschaffenen Cold-Pools (präfrontale diabatische
Abkühlung) scheint ein nordwestliches Ansetzen der nachmittäglichen Gewitter
unwahrscheinlich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann

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